Hearing im Europaparlament prangert Menschenrechtsverletzungen auf Guantanamo an

André Brie: Doppelzüngigkeit in Berlin und Brüssel

In einem öffentlichen Hearing haben Europaabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen am Dienstagabend die Menschenrechtsverletzungen im US-Internierungslager Guantanamo scharf kritisiert. Bei der Anhörung in Brüssel wurden Augenzeugenberichte vorgestellt, die auf die unmenschlichen Haftbedingungen, fehlende und nicht stichhaltige Anklagen sowie die Verweigerung fairer Prozesse verwiesen. Gegenwärtig werden im Lager Guantanamo auf Kuba etwa 660 Menschen aus 42 Ländern festgehalten. Allerdings verweigerten die USA genaue Angaben über die Zahl der Häftlinge.

Der PDS-Abgeordnete André Brie erneuerte im Zusammenhang mit dem Hearing seine Forderung nach einer menschenwürdigen und rechtsstaatlichen Behandlung der US-Gefangenen. „Menschenrechte gelten universell. Gerade von den USA aber, die die Einhaltung der zivilen Grundrechte von anderen Staaten verlangen und deren mutmaßliche Verletzung sogar als Kriegsgrund deklarieren, werden offen und bewusst Menschenrechtsverbrechen begangen.“ Brie betonte, dass die Häftlinge auf Guantanamo völkerrechtswidrig von Washington nicht als Kriegsgefangene anerkannt werden und oft auf bloßem Verdacht hin verhaftet würden. Ihnen drohe ein Verfahren vor US-Militärgerichten, an deren Ende die Todesstrafe stehen könne. „Ein gerechtes Verfahren mit der Vorlage eindeutiger Beweise und der Möglichkeit einer Verteidigung der ‚Angeklagten‘ scheint vor diesen Tribunalen ausgeschlossen.“

Bei der Anhörung in Brüssel wurde unter anderem über Gefangene aus Afghanistan berichtet, die allein deshalb festgenommen worden seien, weil sie „zur falschen Zeit am falschen Ort“ waren. So gerieten Nachbarn von Taliban-Kämpfern ebenso pauschal unter Terrorismusverdacht wie Taxifahrer, die sich zufällig in der Nähe von Anschlägen befanden.

Brie, der auch Afghanistan-Berichterstatter des Europäischen Parlaments ist, forderte die Bundesregierung und die EU auf, sich endlich deutlich gegen die Menschenrechtsverletzungen auf Guantanamo auszusprechen und die grundlegenden Rechte der Internierten von Washington einzufordern. „Das beharrliche Schweigen belegt die Doppelzüngigkeit in der Frage von Menschenrechten, die in Berlin und Brüssel offensichtlich zur Politik geworden ist.“