Landwirtschafts-Altschuldengesetz muss Agrarbetrieben reale Chance geben
Zum am 16.10.2003 mit der Ersten Lesung des Entwurfs eines Landwirtschafts-Altschuldengesetzes im Bundestag eröffneten parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren erklärt die Europaabgeordnete Christel Fiebiger:
Als einstige Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag Brandenburg habe ich mich zehn Jahre lang (1990-99) gemeinsam mit anderen um eine vernünftige Lösung des Problems der Altschulden der LPG-Nachfolgeunternehmen bemüht. Deshalb erlaube ich mir, mich hierzu zu positionieren – auch wenn es kein europäisches Thema ist.
Nach dem Anfang der 90er Jahre die sachgerechte Lösung der Wertberichtigung der Altkredite politisch nicht durchsetzbar war, obwohl schon damals einem Großteil dieser Kredite keine nutzbaren Wirtschaftsobjekte gegenüberstanden, und die aufgelaufenen Zinsen von 900 Mio. Euro inzwischen die lauthals gefeierte Teilentschuldung der Treuhandanstalt um 29% übersteigen, ist es höchste Zeit für ein Landwirtschafts-Altschuldengesetz. Allerdings waren bei dem nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf mit fiskalischen Scheuklappen versehene Kleingeister am Werk. Im Grunde will die Bundesregierung Staatseinnahmen zu Lasten der Wirtschafts- und Steuerkraft der Unternehmen erzielen. Das ist ein zu hoher Preis – für die Unternehmen wie für den Fiskus:
1. Die Erhöhung der Abführung des Jahresüberschusses von 20 auf 65 Prozent wird von den meisten Betrieben nicht zu verkraften sein. Die ökonomischen Folgen wären verheerend – für die Eigenkapitalbildung als Voraussetzung für Investitionen, aber auch für den Kapitaldienst für Neukredite und für die Bonität der Unternehmen. Damit ist insbesondere die notwendige und auch von der Bundesregierung beschworene Trendwende hin zum investitionsintensiven und Arbeit schaffenden Wiederaufbau der Tierproduktion in Ostdeutschland nicht zu erreichen.
Allein schon deshalb gebietet es die ökonomische Vernunft, den Abführungssatz wesentlich niedriger festzulegen.
2. Die Regelung zur vorzeitigen Ablösung der Schulden dürfte den meisten der betroffenen Agrarbetriebe keine vorzeitige Tilgung ermöglichen, da der Ablösebetrag sich nicht am bisherigen, sondern am Barwert der künftigen Zahlungen auf die Rangrücktrittsvereinbarungen orientiert.
Deshalb sollte der Vorschlag der SPD-PDS-Regierung in Mecklenburg-Vorpommern, auf den Barwert zu verzichten und die Tilgung von mindestens 10% der Altschuldensumme zu verlangen, in dem Gesetz verankert werden.
3. Aufnahme sollte auch der seit Jahren bestehende PDS-Vorschlag finden, den Teil der Altschulden zu streichen, der bei der Entschuldung der Treuhandanstalt nach Art. 25 Abs. 3 des Einigungsvertrages als vollständig entschuldungsfähig anerkannt worden ist, aber wegen der damals auf 1,4 Mrd. DM begrenzten Mittel, nicht entschuldet wurde. Da selbst die Bundesregierung davon ausgeht, dass die meisten Schulden nicht eintreibbar sein werden, wäre das ein Kriterium der Gerechtigkeit. Die Unterlagen darüber liegen betriebs- und objektkonkret vor. Es geht hier um ein Volumen von rd. 200 Mio. Euro Altkredite.
4. Nicht akzeptabel ist, dass der erhebliche Steuerausfall an Gewerbe-, Körperschafts- und Einkommenssteuer, der den Mehreinnahmen des Bundes gegenüber stünde, nicht nur vom Bund, sondern auch von den ostdeutschen Ländern, Kommunen und Gemeinden getragen werden müsste.