Europäische Union kann Krieg gegen den Irak noch abwenden – Appell an mittelost- und südosteuropäische EU-Beitrittskandidaten- länder
Zur Einberufung eines EU-Sondergipfels durch die griechische Ratspräsidentschaft erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents:
Die von US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat präsentierten „Beweise“, wonach der Irak über ein bedrohliches Arsenal von Massenvernichtungswaffen und über enge Verbindungen zur Terrororganisation Al Quaida verfüge sowie die UNO-Resolution 1441 hintergehe, erwiesen sich erwartungsgemäß als Flop. Sie sind ein durchsichtiges Manöver, um der weltweit, aber auch in den USA mehr und mehr abnehmenden Befürwortung eines Militärschlages gegen den Irak zu begegnen. Die Mehrheit der UN-Sicherheitsratsmitglieder ließ in ersten Stellungnahmen erkennen, dass diese „Beweise“ keinen Krieg rechtfertigten und die Waffeninspektoren ihre Arbeit im Irak fortsetzen sollten.
Damit erhielt die von Bundeskanzler Gerhard Schröder grundsätzlich vertretene Auffassung, dass „Krieg immer die schlechteste Lösung ist“ und die vom französischen Staatspräsidenten eingenommene Position, dass im Irak „auf dem Gebiet der Abrüstung mit friedlichen Mitteln noch viel zu tun“ sei, Rückendeckung. Jetzt kommt es darauf an, dass sich die Staaten der Europäischen Union sowie die Beitrittskandidatenländer auf dem vom EU-Ratspräsidenten Kostas Simitis vorgeschlagenen EU-Sondergipfel möglichst geschlossen für eine friedliche Beilegung der Irakkrise aussprechen. Dies wäre ein wirksamer Beitrag, um den von den USA beabsichtigten Angriffskrieg gegen den Irak zu verhindern.
Weder die Bundesrepublik noch Frankreich, die sich bislang prononciert für eine friedliche Beilegung der Irakkrise ausgesprochen haben, sind international isoliert. Sie repräsentieren den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung in der EU wie auch in den Beitrittskandidatenländern. Dies zeigt auch der jüngste Schulterschluss europäischer und US-amerikanischer Kirchen mit Bundeskanzler Schröder. Isoliert sind vielmehr jene EU-Staats- und Regierungschefs und Regierenden in den mittelost- und südosteuropäischen Ländern, die sich mit dem USA-Kriegskurs aus kurz- wie durchsichtigen Gründen demonstrativ solidarisieren. Keine Regierung kann auf Dauer Krieg gegen den Willen der eigenen Bevölkerung führen oder nachhaltig unterstützen. Das vermochte nicht einmal die Supermacht USA, wie ihr Debakel im Vietnamkrieg beweist. Auch der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan trug nicht unwesentlich zu deren Untergang bei.
Ich appelliere insbesondere an die politischen Verantwortlichen in den mittelost- und südosteuropäischen Staaten: Sprechen Sie sich auf dem EU-Sondergipfel für eine politische Lösung des Irakkonflikts aus. Kriegsbefürwortende Unterordnung unter die USA ist kein tragfester Baustein für das zukünftige gemeinsame Haus Europa.
Brüssel, den 6. Februar 2003