André Brie: Liberalisierung der Hafendienstleistungen trifft zurecht auf den Protest der Hafenarbeiter

Die europäischen Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Pläne zur Liberalisierung der Hafendienstleistungen. Sie forderten in der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments die Ablehnung des gemeinsamen Vorschlags von Rat und Parlament. Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag schreibt den Hafenbehörden vor, Hafendienstleistungen wie Lotsendienste, Schleppdienste und Frachtumschlag europaweit auszuschreiben.

Mehrere tausend Hafenarbeiter demonstrierten am letzten Freitag in Brüssel und ebenso auch gestern Nachmittag in Strasbourg für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, für die Sicherung garantierter Arbeitsbedingungen und gegen die Deregulierung der Seehäfen.

Diese Proteste sind berechtigt und werden von der PDS und der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament unterstützt. Wir haben heute die Ablehnung der Richtlinie verlangt. Das Parlament hat jedoch mehrheitlich den abgemilderten (z.B. will das Parlament die Lotsen aus dem Anwendungsbereich herausnehmen), aber letzten Endes für uns unakzeptablen Vorschlag angenommen. So wie die Richtlinie gegenwärtig verabschiedet wurde – der Rat muß jetzt noch seine Stellungnahme abgeben -, können nicht oder schlecht ausgebildete, billige Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die zur Schiffsbesatzung gehören, Be- und Entladearbeiten in den Häfen durchführen. Damit werden die bestehenden Regeln für die registrierten, ausgebildeten Beschäftigten, die zu tariflich vereinbarten Löhnen ihre Arbeit qualifiziert verrichten, unterlaufen und wird, wie in anderen liberalisierten Bereichen, ein Prozeß des Sozialdumpings in Gang gesetzt. Tausende Arbeitsplätze von ausgebildeten und registrierten Hafenarbeitern, hohe Qualitäts- und Leistungsstandards in den Häfen stehen auf dem Spiel. Es ist zwar ein Genehmigungsverfahren der Hafenbehörden vorgesehen, das auch die Festlegung von Qualifikationsstandards ermöglicht, aber die Erfahrungen in anderen liberalisierten Bereichen zeigen, dass mit dem Aufbrechen des öffentlichen Monopols es schwieriger wird, die Einhaltung der bisherigen Standards zu gewährleisten.

Wie die Föderation der Europäischen Transportarbeiter (ETF) hervorhebt, werden mit der Annahme des vorliegenden gemeinsamen Standpunkts die Konventionen 137 über die Hafentätigkeit und 152 über die Beschäftigungssicherheit und Gesundheit bei der Hafentätigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verletzt. Diese Konventionen wurden von den meisten EU-Ländern ratifiziert und sichern Mindestanforderungen in der Berufsausbildung, der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz.
Können Schiffsbesatzungen zu Be- und Entladetätigkeiten herangezogen werden, wird sich zwangsläufig auch das Problem der Einhaltung der Arbeitszeiten für Seefahrer stellen, deren Obergrenzen gerade erst in der am 01.07.02 in Kraft getretenen entsprechenden EU-Richtlinie festgelegt wurden.

Am heutigen späten Nachmittag ist ein Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Rat beschlossen worden. Das deutet eher darauf hin, dass teilweise auch die positiven Modifizierungen, die das Parlament beschlossen hat, gefährdet sind. Die Hafenarbeiter hatten bereits vor der Abstimmung angekündigt, dass sie bei Zustimmung zur Selbstabfertigung weitere Protestaktionen, Blockaden und Manifestationen in den europäischen Häfen organisieren werden. Wir solidarisieren uns mit ihnen. Auch die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken wird ihren Widerstand gegen die Richtlinie fortsetzen.