Die Europäische Union soll unter Kuratel der USA gestellt werden
Zu der jüngst von 18 ehemaligen US-Spitzenpolitikern veröffentlichten „Gemeinsamen Erklärung“ zu den Beziehungen zwischen den USA und der Europäischen Union erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents:
Die ehemaligen US-Politiker, darunter M. K. Albright, Z. Brzezinski, L. S. Eagleburger und A. M. Haig, warnen eingangs vor der „neuen Fähigkeit“ Europas, die USA herauszufordern. Deshalb plädieren sie mit deutlichen Worten dafür, dass die weitere Entwicklung und die endgültige Ausgestaltung („Finality“) der Europäischen Union in enger Kooperation mit den USA erfolgen solle. Um dies abzusichern, solle offiziellen US-Vertretern ermöglicht werden, sowohl am Europäischen Verfassungskonvent als auch an der sich anschließenden Regierungskonferenz, auf der die EU-Verfassung und damit die künftige Machtverteilung sowie die politische Entwicklungsrichtung in der EU besiegelt werden, teilzunehmen. Es gehe nicht um eine Mitgliedschaft der USA in der EU oder in irgendeiner EU-Institution, sondern um Assoziation, Dialog und Zusammenarbeit – und zwar „bevor“ in der EU Entscheidungen getroffen werden, wie es in der Erklärung heißt. Sogar dem Ministerrat, wo die Fachminister der EU-Mitgliedstaaten ihre Entscheidungen treffen, sollen US-Regierungsvertreter in relevanten Bereichen beigeordnet werden. Außerdem werden die europäischen NATO-Partner sowie die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Militärhaushalte jährlich real aufzustocken, damit Europa im Hinblick auf die militärischen Fähigkeiten zu den USA aufschließen kann.
Im Klartext heißt das: Washington möchte künftig in der Europäischen Union mitregieren, die weitere Entwicklung der Gemeinschaft unter Kuratel stellen und Europa durch Aufrüstung schwächen. Die EU wäre dann auf solch essentiellen Gebieten wie dem Außenhandel oder der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht souverän. Dies wäre ein wesentlicher Schritt hin zur unipolaren Welt, wie sie die Bush-Administration favorisiert und während der Irak-Krise gegenüber Europa nach der klassischen imperialen Devise „Divide et impera“ bereits praktiziert hat. Es soll verhindert werden, dass unabhängig von der einzig verbliebenen Supermacht USA ein geeintes Europa entsteht, das Alternativen zur US-amerikanischen Politik entwickelt und künftig als eigenständiger Akteur in Erscheinung tritt. Schließlich verkennen die Autoren der Erklärung, dass es nicht „Europa“, sondern die Bush-Administration war, die die von ihnen beschworene „transatlantische Wertegemeinschaft“ grundsätzlich in Frage stellte, indem die USA die größte Errungenschaft des Völkerrechts, die Ächtung des Angriffskrieges, außer Kraft setzten.
Brüssel, den 22. Mai 2003