Die Entwicklungspolitik muss neu angepackt werden!
Zum Stand der Beziehungen zwischen der EU und den Entwicklungsländer
In allen entscheidenden Dokumenten der EU wird der Kampf gegen die Armut als Hauptziel der Entwicklungspolitik beschworen. Unbestritten ist, dass die EU beträchtliche Mittel für Entwicklungshilfe einsetzt und bemüht ist, vielfältige Partnerschafts- und Kooperationsabkommen in den verschiedenen Regionen der Welt zum gegenseitigen Nutzen abzuschließen. Genau so wenig umstritten ist, dass trotz aller Bemühungen die Armut in der Welt gerade im letzten Jahrzehnt zugenommen hat und dass sich keine grundlegende Trendwende abzeichnet. Das ist um so fataler, als die noch immer steigende Armut eine der Quellen des Terrorismus darstellt.
Dem Parlament liegen Berichte vor, die äußerst wichtige Bereiche der Entwicklungspolitik umfassen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Nutzung der immer knapper werdenden Ressourcen auf unserem Erdball. Während heute noch wie am Golf Kriege um Öl geführt werden, zeichnen sich schon am Horizont gewaltsame Auseinandersetzungen um das Wasser ab. Während die USA und andere Industriemächte jene Teile der Dritten Welt, in denen es Erdöl, Erdgas und andere strategische Rohstoffe gibt, zu ihren Interessensphären erklären und daraus das Recht ableiten, auch Krieg führen zu können, ist Wasser vor allem ein Problem der Entwicklungsländer untereinander. Entweder weil die Ressourcen nicht reichen oder der Zugang zu Wasser verwehrt wird.
Noch bleibt Zeit, mit einer klugen Strategie und zielstrebigen Aufwendungen die sich abzeichnende Katastrophe zu verhindern. Der Bericht von Paul Lanoye zeigt hier mögliche und konstruktive Wege auf, die mehr Aufmerksamkeit finden sollten.
Nicht weniger prekär ist die Lage auf dem Gesundheitssektor. Wenn es heute schon in Länder der EU heißt: Wer arm ist, muss früher sterben, weil die Reformen auf eine Zweiklassenversorgung zielen, so ist die Situation in den Entwicklungsländern ungleich dramatischer. Millionen Menschen sterben in Afrika Jahr für Jahr an Krankheiten, für die es in den Industriestaaten längst Gegenmittel gibt. Der jetzt ausgehandelte WTO-Kompromiss über den Import billiger Nachahmermedikamente kommt erstens viel zu spät und ist zweitens mit solchen Formalitäten gespickt, dass sein Erfolg zweifelhaft ist. In dem Bericht von Luisa Morgatini werden Probleme aufgeworfen, die gerade auch diese Seite des Handels berühren.
Die Berichterstatter wie der gesamte Entwicklungsausschuss sind bemüht, sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, mit ihrer Erfahrung und Autorität der wachsenden Armut mit allen Erscheinungen und Auswirkungen entgegenzustellen. Wir erwarten ein Gleiches und noch mehr vom Europäischen Rat und der Europäischen Kommission.
Das 21. Jahrhundert hat erst begonnen. Doch die Zeichen stehen eher auf Sturm als auf ein friedliches, solidarisches Miteinander. Entwicklungspolitik muss neu, tiefer und umfassender definiert und neu angepackt werden, wenn sich die Menschheit die Chance auf ein Leben und Überleben auf dieser Erde bewahren will.
Aus einem Redebeitrag in der Plenardebatte des Europäischen Parlaments in Straßburg am 03. 09. 2003