Brie: Bonner Afghanistan-Friedensplan gefährdet

Berichterstatter des Europaparlaments kritisiert nach Rückkehr aus dem Land am Hindukusch fehlende Unterstützung für demokratische Kräfte

Als „längst überfällig“ hat der Afghanistan-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, der PDS-Abgeordnete André Brie, die Vorstellung des afghanischen Verfassungsentwurfs am Sonntag bewertet. Allerdings bestehe bei einer Reihe von Artikeln die Gefahr der Einschränkung ziviler Grundrechte und persönlicher Freiheiten, erklärte Brie nach seiner Rückkehr aus Afghanistan am Mittwoch in Brüssel. Der Parlamentarier hatte sich in den vergangenen Tagen über die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in dem Land am Hindukusch informiert. Neben Gesprächen mit Vertretern von EU, UNO und internationalen Hilfsorganisationen standen auch Begegnungen mit Repräsentanten der afghanischen Führung, darunter mit dem Sicherheitsberater des Präsidenten und dem Finanzminister, und verschiedenen Parteien sowie mit dem Oberkommandierenden der ISAF, General Gliemeroth, auf dem Programm.

„Trotz einzelner Verbesserungen ist der Verfassungsentwurf gegenüber den inoffiziellen Vorschlägen nach wie vor stark vom Bezug auf den Islam geprägt“, so Brie. Zudem würden die Rechte des Staatspräsidenten so stark erweitert, dass die Mitsprache der demokratischen Öffentlichkeit gefährdet sei. Besorgt zeigte sich der Abgesandte des Europaparlaments auch über die Verschiebung des Wahltermins in Afghanistan: „Es ist ein Armutszeugnis, dass die internationale Gemeinschaft nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stellt, um die Abstimmung planmäßig durchzuführen. Die Verzögerung macht die Umsetzung der auf der Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember 2001 getroffenen Beschlüsse zur Demokratisierung des Landes unwahrscheinlich.“

Macht der Warlords ungebrochen

Als Gefährdung der Entwicklung in Afghanistan sieht Brie auch die ungebrochene Macht der Warlords, Feldkommandeure und einzelner Provinzgouverneure. „Trotz einiger symbolischer Aktionen hat eine Waffenabgabe der Milizen real noch nicht begonnen“, sagte der Abgeordnete. Vor allem die US-Truppen würden eine Abrüstung der von ihnen unterstützten Warlords verhindern. „Vielfach werden die paramilitärischen Einheiten sogar verstärkt mit Waffen, die mit Geldern aus der Drogenproduktion finanziert werden, ausgerüstet.“ Brie betonte, dass nach Schätzung von Experten Afghanistan in diesem Jahr ein Rekordniveau bei der Opiumernte erreichen werde. „Wenn nicht Abrüstung und Bekämpfung der Rauschgiftproduktion komplex angegangen werden, droht eine weitere Destabilisierung oder gar das Entstehen eines mafiösen Drogenstaates.“ Der Abgeordnete kritisierte in diesem Zusammenhang, dass im Gegensatz zu den Warlords „die große Gruppe der demokratischen Kräfte“ kaum internationale Unterstützung erfahre. Hier sei insbesondere die Europäische Union gefragt.

USA müssen Rechtsstaatlichkeit garantieren

Während seiner Reise hatte der Afghanistan-Berichterstatter auch das Privatgefängnis des Usbekengenerals Rashid Dostum besucht und dort mit Häftlingen gesprochen. Wie Brie mitteilte, seien in dem Gefängnis noch etwa 1.000 Menschen, etwa zur Hälfte Afghanen und Pakistani, inhaftiert. „Die internationale Gemeinschaft, die UNO – unter deren Protektorat Afghanistan steht –, die EU und vor allem die USA als eigentliche Macht im Land sind verantwortlich für den Mangel an grundlegender Rechtsstaatlichkeit“, hob der Politiker hervor. „Die Gefangenen müssen ein ordnungsgemäßes, faires Verfahren zugebilligt bekommen oder freigelassen werden.“

PRESSEHINWEIS:

Der Abgeordnete André Brie steht am Mittwoch unter den unten angegebenen Telefonnummern für Anfragen und Interviews zur Verfügung.