EU-Förderung für ländlichen Raum zum Teil kontraproduktiv
Im Interview: Siegfried Mattner, Geschäftsführer des Oberhavel Bauernmarktes
Macht sich die Zeit der leeren Kassen auch bei den europäischen Fördermitteln für den ländlichen Raum bemerkbar?
Siegfried Mattner: Es kommt Geld aus Brüssel für uns Landwirte, und nicht wenig. Sicher, wie überall frisst die Verwaltung auch hier
einen beträchtlichen Teil selbst auf, aber es stehen Gelder für die multifunktionale Entwicklung des ländlichen Raumes zur Verfügung.
Diese Mittel kann jeder beim zuständigen Amt für Flurneuordnung und ländliche Entwicklung beantragen. Das ist auch notwendig, denn
ohne diese Förderung könnten die Landwirte ihre gesellschaftliche Aufgabe nicht erfüllen.
Trotzdem scheinen Sie nicht sehr glücklich.
Siegfried Mattner: Während die EU derzeit einerseits regionale Kreisläufe fördert, streicht sie gleichzeitig die bisherige Förderung des
regionalen Marketing. Brüssel vertritt die Meinung, dass für regionale Werbung auch die Region Gelder geben soll. Doch das Land
Brandenburg ist mit dieser Aufgabe finanziell überfordert. Ohne Kofinanzierung aus Brüssel kann zum Beispiel pro agro – unsere
Marketinggesellschaft für Bandenburg – keine Marketing-Projekte mehr fördern. Das trifft uns Direktvermarkter empfindlich. Gerade jetzt,
wo durch BSE das Vertrauensverhältnis zwischen Verbrauchern und Landwirten nicht gerade das Beste ist.
Wenn es in Ihrer Macht stände, was würden Sie mit EU-Mitteln fördern?
Siegfried Mattner: Oh, ich würde weniger Geld für Flächenstillegungen bezahlen. Felder, die über Jahre nicht bestellt werden, verwildern.
Trostlose Flächen rund um die Ballungsgebiete würden entstehen. Das wäre für Städter wie Dörfler gleichermaßen schlimm. Denn nur
die Einheit aus gesunder Umgebung und gesunder Stadt ist Erfolgsgarant für eine erfolgreiche Entwicklung der Gesellschaft.
Ich würde lieber Gelder in Wirtschaftskreisläufe stecken, die irgendwann zu Selbstläufern werden. Dazu gehört zweifellos die
Tierproduktion mit einer hohen Wertschöpfung. Gerade in Gegenden, in denen die Böden nicht so qualitativ hochwertig sind, ist sie mit
ihrer Veredlung der pflanzlichen Erträge die einzige Chance für die Landwirte. Doch besagte Förderung der Ackerflächen verführt heute
zum Teil zur Abschaffung der Tierbestände. Hier sollte die EU ihre Förderung möglichst schnell überdenken. Jeder Landwirt weiß, dass
sich gesunde Viehbestände nicht von heute auf morgen wieder regenerieren lassen. Und eine Landwirtschaft ohne Tiere?
Was wäre aus Ihrer Sicht noch wichtig?
Siegfried Mattner: Die EU muss federführend in einer europaweiten Ökologisierung der Landwirtschaft sein. Es gilt ein Konzept dafür zu
erarbeiten und Gelder zur Verfügung zu stellen. In einem Europa ohne Wirtschaftsgrenzen hat es keinen Sinn, wenn einzelne Länder
den Vorreiter spielen. Das bringt nur wettbewerbsverzerrende Ergebnisse für die eigenen Landwirte. Was macht es zum Beispiel für
einen Sinn, wenn in Deutschland die Legebatterien verboten werden, die Verbraucher aber trotzdem die billigeren Eier aus anderen
Ländern kaufen können? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin gegen diese tierfeindliche Haltung von Geflügel, aber wenn wir
wirklich etwas bewirken wollen, dann muss es europaweite Gesetze geben.
Und wovon träumen Sie?
Siegfried Mattner: Von einer Förderung, die für alle Landwirte die gleichen Chancen auf dem Markt anstrebt. Derjenige Bauer, der die
schlechtesten natürlichen Bedingungen hat, müsste die größten Ausgleichzahlungen erhalten. Das wäre meines Erachtens für eine
flächendeckende Landwirtschaft, die ja auch von der EU angestrebt wird, sehr dienlich.
Fragen: Gerlinde Schneider