EU-Kommission legt diskriminierendes Konzept für Finanzierung der Osterweiterung vor

Osterweiterung mit neokolonialen Zügen

Ende Januar hat die Europäische Kommission ihr überarbeitetes Konzept für die Finanzierung der EU-Erweiterung vorgelegt. Auf dessen Grundlage soll die Brüsseler Verhandlungsposition für die Kapitel Landwirtschaft, Strukturpolitik und Haushalt in den Beitrittsverhandlungen festgelegt werden. Was jedoch von der Kommission als „faires und solides Angebot“ bezeichnet wird, ist in der Realität eine Strategie der Diskriminierung der osteuropäischen Kandidatenländer. Die Umsetzung des Kommissionspapiers droht, die wirtschaftliche Kluft zwischen alten und neuen Mitgliedern der Gemeinschaft zu vertiefen und soziale Zerwürfnisse in den Beitrittsstaaten herauf zu beschwören. Vor allem aber wird zum ersten Mal in der Geschichte der EU ein Beitrittsprozess auf diskriminierenden Grundlagen realisiert. Was das mit der vielbeschworenen „Überwindung der europäischen Spaltung“ zu tun hat, werden weder die Buchhalter in der EU-Kommission noch die Krämerseelen in den Regierungen beantworten können. (Besonders aktiv in dieser unrühmlichen Mission ist der deutsche Finanzminister Hans Eichel).

Berliner Finanzplan geplatzt

Worum geht es? Der vom Europäischen Rat 1999 in Berlin festgelegte Finanzrahmen der Erweiterung sah für den Zeitraum 2002-2006 jährliche Beträge vor, die sich von 6.450 Millionen Euro (Mittel für Verpflichtungen) auf 16.780 Millionen erhöhen sollten. Bei den entsprechenden Mitteln für Zahlungen war eine Steigerung von 4.140 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 14.220 Millionen Euro 2006 vorgesehen. Allerdings war dabei von einem Beitritt von nur sechs neuen Mitgliedstaaten ausgegangen und die Aufnahme bereits im Jahr 2002 erwartet worden. Da die Erweiterung nun aber voraussichtlich 2004 stattfinden wird und sich zehn Staaten um die EU-Mitgliedschaft bewerben, ist die Berliner Finanzplanung – die im Übrigen von der PDS schon bei ihrer Verabschiedung als unrealistisch eingeschätzt wurde – geplatzt.

Gleichberechtigung vorenthalten

Die nun von Brüssel vorgeschlagene „Anpassung“ des Finanzrahmens macht die Beitrittsländer zu EU-Mitgliedern zweiter Klasse. Was bei früheren Erweiterungsrunden innerhalb Westeuropas selbstverständlich war, nämlich Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Anfang an, gilt offenbar für die osteuropäischen Staaten nicht. So sollen

– die ursprünglich für 2002 und 2003 vorgesehenen Mittel für Zahlungen nicht auf spätere Jahre verschoben werden, sondern verfallen;
– die Zuwendungen aus den europäischen Strukturfonds wegen „der begrenzten Absorptionsfähigkeit in den ersten Jahren nach dem Beitritt“ nicht in der für 2004-2006 anvisierten Höhe gezahlt, sondern an die ursprünglich für 2002 und 2003, geplanten sehr viel geringeren Beträge angepasst werden;
– die in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU vorgesehenen Direktzahlungen an Landwirte den osteuropäischen Bauern erst im Jahre 2013 in voller Höhe zugute kommen und beispielsweise 2004 nur 25 Prozent betragen.

In einer Frage allerdings sind die neuen EU-Staaten sofort den Altmitgliedern gleichgesetzt: Bei der Beitragspflicht zum Gemeinschaftshaushalt. Mit ihrer Aufnahme sollen sie jährlich etwa fünf Milliarden Euro zum Brüsseler Etat beisteuern.

Probleme ignoriert

Damit nicht genug: Konsequent ignoriert werden in Brüssel auch die Probleme der Grenzregionen zu den Beitrittsländern. Obgleich die Osterweiterung die Regionen beiderseits der Grenzen zu den Kandidatenstaaten einem enormen strukturellen Anpassungsdruck unterwirft, speist die Kommission diese Gebiete mit Brosamen ab. Ein Aktionsprogramm für die Grenzregionen, das von einem ganzheitlichen Ansatz ausgeht und auf nachhaltige Entwicklung setzt, fehlt nach wie vor. Nicht ohne Folgen wird die verfehlte Finanzplanung für die Erweiterung auch für die neuen deutschen Bundesländer bleiben. Alle ostdeutschen Länder werden derzeit als so genannte Ziel-1-Regionen (Durchschnittseinkommen pro Kopf unter 75 Prozent des Mittelwertes aller EU-Staaten) mit Mitteln aus den europäischen Strukturfonds unterstützt. Mit der Aufnahme wirtschaftlich schwächer entwickelter Staaten wird das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt der EU pro Kopf jedoch sinken – um 13 Prozent bei einem Übergang von 15 zu 25 Mitgliedstaaten. Die neuen Bundesländer liegen dann voraussichtlich über der 75-Prozent-Marke und fallen aus der Förderung heraus, ohne dass sich etwas an der ökonomischen oder sozialen Situation geändert hat. Die Fortsetzung mittel- und langfristig angelegter und von der EU geförderter Vorhaben ist damit akut gefährdet. Konkrete Vorschläge für Übergangsregelungen bzw. ein phasing out aber lassen auf sich warten.

Offensichtlich lässt sich die Europäische Kommission, die „Hüterin der EU-Verträge“, in der Frage der Finanzierung der Osterweiterung als Hüterin der (westeuropäischen) Besitzstände missbrauchen. „Für die jetzigen Mitgliedstaaten bedeutet das vorgeschlagene Konzept, dass sie keine weiteren finanziellen Belastungen durch die Erweiterung befürchten müssen“, betonte das für die Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied Günter Verheugen denn auch bei der Vorstellung des Finanzkonzeptes. Wo aber das ebenfalls von ihm beschworene „hohe Maß von Solidarität“ der EU mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten zu finden ist, weiß der Kommissar nur allein. Die Profiteure der Osterweiterung stehen dagegen längst fest: Die westeuropäischen Großkonzerne und Banken, allen voran die deutschen, die bereits jetzt in den mittel- und osteuropäischen Ländern einen gigantischen Handelsüberschuss und enorme Profite erzielen sowie einen Großteil der dortigen Unternehmen und Finanzhäuser aufgekauft haben.