Auf der Suche nach Antworten auf die Fragen der Zeit

Thomas Raeck

Der Fraktionsvorstand der GUE/NGL tagte in Barcelona

In Vorbereitung des Gipfeltreffens der Europäischen Union unter der spanischen Präsidentschaft am 14./15.3.02 in Barcelona hielt der
Fraktionsvorstand auf Einladung der spanischen Izquierda Unida (IU) am 4. und 5. März eine Beratung in Barcelona ab. Dabei ging es
vor allem um die auch während des Gipfels zur Debatte stehenden Fragen, wie den Euro, den Stabilitätspakt und die Koordinierung der
Wirtschaftspolitiken, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, des Rentensystems und die Kontrolle der Lissaboner Beschlüsse, die
Liberalisierung des Öffentlichen Dienstes und die Zukunft der Öffentlichen Dienste: Energie, Transport und Bildung.

Abgeordnete und spanische Experten versuchten, die Positionen linker Politik zu formulieren. So unterstrich Salavdor Jovè (IU) die
Notwendigkeit, in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession die Ausweitung des öffentlichen Defizits als antizyklische Maßnahme einer
nationalen oder europäischen Wirtschaftspolitik beizubehalten. Die monetäre Stabilität könne nicht als einziges Ziel der
Wirtschaftspolitik gelten. Die Europäische Union brauche vielmehr einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung, die die reale
Integration der europäischen Wirtschaften verstärken wird. In gleicher Richtung argumentierte der ehemalige griechische
Notenbankchef Dimitrios Koulourianos (Synaspismos), der betonte, dass die Währungspolitik nur ein Instrument der Wirtschaftspolitik
sei, das zudem nicht alle Probleme der Wirtschaftspolitik der EU lösen könne. Helmuth Markov (PDS) fügte hinzu, dass für Linke der
bessere Ansatz in der Forderung nach einer Harmonisierung der Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitiken liege.

Die fehlenden Fortschritte im Kampf zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung wurden von Ilda Figuereido
(KP Portugal) kritisiert. Darüber hinaus würden viele Regierungen den Stabilitätspakt als Vorwand nehmen, um unter dem
Aushängeschild der Reform die Sozialleistungen zu reduzieren und den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, jegliche angebotene Arbeit
anzunehmen. Angesichts von Armut und sozialer Ausgrenzung sei es nötig, einheitliche Indikatoren in der EU anzunehmen, die es
ermöglichten, die Ungleichheit der Situation in den einzelnen Mitgliedsländern aufzuzeigen. Man brauche nur daran zu denken, dass die
Armutsschwelle offiziell bei 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts pro Kopf der Bevölkerung definiert ist. Der Ausgangswert in Portugal
beträgt 2.000 Euro, in Luxemburg hingegen 13.000 Euro!

Der spanische Experte Prof. Recia verglich die EU mit den USA im Hinblick auf die Pro-Kopf-Produktion und die dafür benötigte
Arbeitszeit. Dabei führte er aus, dass die EU zwischen 77 und 80 Prozent des Durchschnitts der USA bei der Produktion erreiche, im
Hinblick auf die dafür benötigte Arbeitszeit aber viel besser abschneiden würde, da die entwickeltsten Länder, wie z.B. Deutschland, mit
weniger Arbeitszeit zu den gleichen Ergebnissen kommen wie die USA. Eine Debatte über die notwenige Dauer der Arbeitszeit sei also
in linker Wirtschaftspolitik durchaus angebracht.