Türkei muss Menschenrechte achten

Verbotsverfahren gegen die prokurdische Partei HADEP noch nicht vom Tisch

Im Januar 1999 wurde gegen die prokurdische Partei HADEP ein Verbotsverfahren wegen angeblicher Kontakte zur PKK eingeleitet.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat der HADEP-Vorsitzende Murat Bozlak am 1. März 2002 vor dem Verfassungsgericht in Ankara zu
den Vorwürfen Stellung genommen. Die HADEP kann sich nach dieser einmaligen Anhörung nicht mehr verteidigen und muss das
Urteil des Verfassungsgerichts abwarten.

Im Ergebnis einer Debatte im Europäischen Parlament haben sich am 27. Februar alle Fraktionen, der Rat und die Kommission in
einer gemeinsamen Resolution gegen das Verbot von HADEP ausgesprochen. In der Entschließung begrüßt das Europäische
Parlament die Verfassungsänderungen zur Aufhebung des Verbots von Minderheitensprachen und fordert die Respektierung der
Zivilrechte der Kurden und eine Lösung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme in der Südosttürkei. Dies ist besonders
wichtig, denn die legitimen Rechte der Kurden müssen endlich von der Türkei garantiert werden. Ein Beitritt in die EU ist nur möglich,
wenn die Türkei diesen Verpflichtungen nachkommt.

Im Namen der GUE/NGL-Fraktion habe ich die sofortige Aussetzung des Verfahrens gegen die HADEP gefordert. Wenn die HADEP
verboten wird, wäre dies ein Rückschlag für die Demokratie. Damit würde die Türkei auf ihrem Weg nach Europa in die falsche Richtung
marschieren.

Der Weg dahin ist noch lang, denn die Menschenrechtssituation hat sich in der Türkei keineswegs verbessert. Ich begrüße zwar die
Verfassungsänderungen, doch bleiben sie weit hinter meinen Erwartungen zurück. Die Todesstrafe wurde zwar eingeschränkt, aber
noch immer nicht abgeschafft. Hinzu kommt, dass die türkischen Politiker bei der Umsetzung der Verfassungsänderungen wenig Eifer
zeigen. An den türkischen Hochschulen darf zwar Arabisch, Englisch, Deutsch und Chinesisch gelehrt werden, aber Kurdisch, die
Muttersprache von 12 Millionen Menschen, bleibt im Erziehungswesen verboten. Mehr als 10.000 Studenten, die von ihrem in der
Verfassung garantierten Recht Gebrauch machten und mit Petitionen die Zulassung des Kurdischen forderten, müssen nun mit
Strafverfahren rechnen. Sie werden wegen Separatismus angeklagt. Zu einer friedlichen und politischen Lösung der Kurdenfrage
gehört aber die Aufhebung des Sprachverbots und die Aufnahme von Kurdisch als Unterrichtsfach in den Studienplan. Die Kriterien von
Kopenhagen schließen das Recht auf muttersprachlichen Unterricht und den Gebrauch eigener Medien mit ein, und sie müssen eine
unverhandelbare Beitrittsbedingung sein.