Halbzeit im Europäischen Parlament
Bei den Europawahlen am 12. Juni 1999 erhielt die PDS 5,8% der Wählerstimmen. Sechs Abgeordnete zogen ins Europäische Parlament (EP) ein. Als wir unsere fünfjährige Tätigkeit begannen, war vieles neu. Die Einarbeitung ins parlamentarische „Geschäft“ der Europapolitik wurde dadurch erleichtert, dass uns die Kolleginnen und Kollegen der GUE/NGL-Fraktion freundschaftlich aufnahmen und mit Rat und Tat zur Seite standen. Die Fraktion wuchs von 42 auf 44 Mitglieder an, da zwei Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen bzw. der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks ihre Partei verließen und sich der GUE/NGL anschlossen. Nun ist Halbzeit und damit Gelegenheit, Bilanz über unsere Arbeit zu ziehen. Schließlich erwarten Wählerinnen und Wähler mit Recht, dass „ihre“ Abgeordneten Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihr Mandat wahrgenommen haben.
Umfassende Arbeit geleistet
Im Mittelpunkt unserer Arbeit standen Fragen wie die Demokratisierung europäischer Entscheidungsprozesse, die Stärkung der Bürger- und Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, der Kampf für Vollbeschäftigung und eine sozial-ökologische Wirtschaftspolitik in Europa, gegen soziale Ausgrenzung und Armut und gegen die Privatisierung öffentlicher Dienste. Die BSE-Krise, Probleme des Verbraucherschutzes und der ökologischen Wende in der Agrarpolitik waren ebenso wichtige Themen wie die Euro-Einführung oder die Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben uns für friedliche Konfliktbewältigung und gegen die Militarisierung der Europäischen Union engagiert. Die sozial verträgliche Ausgestaltung der EU-Erweiterung und der Ausbau der Beziehungen zu Polen und Tschechien, aber auch die Prozesse der neoliberalen Globalisierung und der Nord-Süd-Konflikt waren unser Gegenstand.
Ohne Selbstüberschätzung können wir feststellen: Wir sind zwar nur „6 aus 626“, aber politisch haben wir etwas bewegt und für Bürgerinnen und Bürger positive Veränderungen erreicht.
Ostdeutsche Probleme thematisiert
Die PDS-Gruppe hat immer wieder die ökonomischen, sozialen und Arbeitsmarktprobleme in Ostdeutschland thematisiert. Unsere Fraktion tagte in Schwerin, der EP-Regionalausschuss war in Brandenburg. Durch Anfragen an den Rat und die EU-Kommission sowie durch persönliche Diskussionen mit Verantwortlichen verschiedener Ebenen haben wir zur Lockerung der Produktionsbeschränkungen für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern und zur Rettung des Stahlwerkes Gröditz beigetragen. Vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung, die gerade für die neuen Länder eine große Chance sein kann, setzten wir uns für eine spezifische Förderung der Grenzregionen ein. Wir haben Anteil daran, dass sich EP und EU-Kommission zielgerichteter dieser Problematik widmeten und im EU-Haushalt für 2002 entsprechende Haushaltslinien eingestellt wurden.
PDS-Abgeordnete bekleideten wichtige Funktionen
In die parlamentarische Arbeit haben wir uns intensiv eingebracht und waren um sachorientierte Politik bemüht. Wir erarbeiteten uns Akzeptanz, was sich darin niederschlug, dass PDS-MdEP wichtige Aufgaben im Parlament übertragen wurden, so die Vizepräsidentschaft der EP-Delegation im Konvent zur Erarbeitung der EU-Grundrechtecharta, die Vertretung des Parlaments bei der informellen Ratstagung in Namur (Belgien) oder in Parlamentsdelegationen auf dem Balkan. Abgeordnete der PDS waren Berichterstatter des EP zur künftigen Ausrichtung der Strukturfonds und zum Weißbuch der Kommission über europäisches Regieren.
Die Linke ist anerkannt
In der multinationalen Kultur des EP ist die Linke im demokratischen Parteienspektrum anerkannt. Dies sowie die Tatsache, dass es im EP in Abhängigkeit vom Thema wechselnde politische Mehrheiten gibt, eröffnen der Fraktion und den einzelnen Abgeordneten politische Spielräume. Deshalb gelang es in einigen wichtigen Fällen, Erfolge bei Abstimmungen im Plenum zu erreichen. Beispiele dafür sind die Verankerung des Streikrechts in der EU-Grundrechtecharta oder die Änderung der politischen Gesamtausrichtung des Kommissionsvorschlags zur Liberalisierung des ÖPNV.
Ansprechpartner für außerparlamentarische Initiativen und Verbände
Auch außerhalb des EP waren wir gefragter Gesprächspartner für Gewerkschaften, Friedensinitiativen, Arbeitslosenverbände und NGO, für Vertretungen der Bundesländer in Brüssel oder für Botschaften, aber auch für Industrievereinigungen und Firmen. Gemeinsam mit der Fraktion bauten wir eine kontinuierliche Kooperation mit außerparlamentarischen Netzwerken auf regionaler und EU-Ebene auf. Wir waren präsent bei außerparlamentarischen Aktionen am Rande der EU-Gipfel von Lissabon, Nizza und Laeken. MdEP der Gruppe nahmen an den globalisierungskritischen Aktivitäten des „Genua Social Forum“ teil, und sie nahmen erfolgreich Einfluss darauf, die letzten in Italien inhaftierten Bewegungsaktivisten aus der Bundesrepublik frei zu bekommen. Wir haben uns gegen das neue Weltraumrüstungsprogramm der USA und gegen den Krieg in Afghanistan engagiert, mit Menschenrechtsgruppen aus der Türkei und Türkisch Kurdistan zusammengearbeitet und Hungerstreikende in türkischen Gefängnissen unterstützt.
Auch im Internet zu finden
Unseren Leserinnen und Leser versichere ich: Selbstverständlich werden wir auch in der 2. Hälfte der Legislaturperiode in „europa rot“, das in einer Auflage von 43.000 Exemplaren erscheint, regelmäßig berichten. Unter www.pds-europa.de finden Sie alle Reden der MdEP, Stellungnahmen, Presseerklärungen oder Artikel und Positionspapiere. Wir freuen uns über das Interesse an unserer Arbeit, das sich in ca. 130 Zugriffen pro Tag auf unserer Internetseite widerspiegelt. Wir setzen darauf, dass Sie uns weiterhin begleiten. Anregungen und Kritiken sind willkommen. Denn: Wir wollen mit Ihnen gemeinsam Europa von links verändern.