Chancen und Risiken liegen dicht beieinander
In Rosenhain diskutierte Hans Modrow mit Agrarpolitikern und Bauern
Je näher eine Gegend an der Ostgrenze der EU liegt, desto vielfältiger sind die Fragen nach den Chancen und Risiken der Erweiterung
und desto ausgeprägter die Hoffnungen und Befürchtungen. Das erlebte auch Hans Modrow, MdEP, als er in Rosenhain, gelegen im
sächsisch-polnisch-tschechischen Dreiländereck, mit annähernd 50 Landwirten ins Gespräch kam. Diskussionsstoff gab es vor dem
Hintergrund der Osterweiterung allemal, Zündstoff für Politik und Gesellschaft diesseits und jenseits der Grenze nicht minder.
„Die soziale Lage in den Beitrittsländern wird sich in den nächsten Jahren sehr kompliziert gestalten“, betonte Modrow. Die Probleme
der Agrarpolitik werden dabei eine gravierende Rolle spielen. So wie in der Vergangenheit in und um Rosenhain selbst geschehen. Von
den einst 124 Arbeitskräften sind gerade noch 34 übrig geblieben. Dies sind nur statistische Angaben zu einem Strukturwandel, der
auch Industrie und Gewerbe heimsuchte. Man spricht von einer vergessenen, verlorenen Region mit einer Arbeitslosigkeit über 20
Prozent. Blüht eine solche Entwicklung auch den Beitrittsländern, wie wird sich das in den Grenzregionen auswirken und was sollte
man dagegen halten?
Die Bilanz zur Halbzeit der Agenda 2000 weist recht deutlich aus, dass die Beitrittskandidaten nicht entsprechend vorbereitet sind. Aber
auch Sachsen hat keine Konzepte für Zusammenarbeit erstellt, wie es sich für gute Nachbarn gehört.
Zudem spürt man in den Landkreisen eine gewisse Ohnmacht in Gestaltungsfragen. Die Euroregionen – Rosenhain liegt in der
Euroregion Neiße/Nisa/Nysa – klammern die Agrarpolitik eher aus als dass sie sich dem ländlichen Raum mit der Landwirtschaft
widmeten. Die Kreistage haben kaum Handlungsraum. Landwirtschaftsausschüsse gibt es nicht. „Für den Kreistag ist der politische
Zugriff zum ländlichen Raum zu schaffen und darüber hinaus auch für die Landwirtschaft“, forderte Modrow. Prof. Alexander Donner, der
PDS-Fraktionschef, konstatierte: „Wir haben in keiner Weise Einfluss auf das Geschehen.“ Von einer „Verbehördlichung der
landwirtschaftlichen Arbeit“, sprach Dr. Wobst, der bei Zittau einen kleinen Ökobetrieb betreibt. „Wir machen nur noch Produktion nach
Fördermitteln und nicht mehr nach landwirtschaftlichen Bedingungen“. Der Anpassungsprozess hat seine Brisanz. Sind in Westeuropa
3 bis 5 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, sind es in Polen an die 28 Prozent. „Es wird sich erschwerend auswirken,
dass die Agrarpolitik der EU stets ihren Bezugspunkt im Markt und nicht in der Entwicklung vernünftiger, sozial und ökologisch fundierter
Strukturen sieht“, sagte Modrow. Die Problemfülle verführte indes nicht zur Resignation. Eher im Gegenteil: Zum Mitgestaltungswillen.