Vorgestellt: Socialistische Partij der Niederlande
Mit mehr als 28.000 Mitgliedern ist die Sozialistische Partei (SP) heute die viertgrößte Parteiorganisation in den Niederlanden, und die
einzige, die nicht nur Wahlverein ist. Mitregierender Koalitionspartner ist sie seit März 2002 auch in zwei Städten mit über 100.000
Einwohnern an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, in Nijmegen und Heerlen. Trotz dieser Positionen hat sie dennoch kaum
Vergangenheit und Tradition. Auf der nationalen Ebene ist sie erst seit acht Jahren parlamentarisch tätig, nachdem die zwei alten
Linksparteien CPN und PSP zum Schluss gekommen waren, dass eine anti-kapitalistische Partei im 21. Jahrhundert leider nicht mehr
existenzfähig sei. Mittels einer Profilierung als ‚Gegen-Partei‘ hat sich die SP heute eine Position erworben, die röter und grüner ist als
die von Sozialdemokraten und Grünen. Als Partei der Solidarität und der gleichen Würde aller Menschen steht der Kampf gegen
Steuersenkungen, Privatisierungen und Einsparungen bei der Daseinsvorsorge im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die SP lehnt die Beteiligung
an der NATO und militärische Interventionen im Ausland ab. Sie schlägt die Umwandlung der Monarchie in eine Republik vor. Mit diesen
Themen wird sie für ein wachsendes Publikum interessant. Angefangen hat sie mit nur zwei Abgeordneten bei den Parlamentswahlen
1994, vier Jahre später erhielt sie fünf Mandate. Bei den Parlamentswahlen am 15. Mai 2002 erreichte sie 5,9% und damit neun
Mandate. Dabei konnte sie sogar die bisherige linksliberale Regierungspartei der Demokraten hinter sich lassen.
Die SP existiert seit 1972. Gegründet wurde sie als eine kleine außerparlamentarische Aufbau-Organisation von Arbeitern, Studenten
und ehemaligen Dissidenten der zwei alten Linksparteien. Diese Rolle spielte sie besonders im katholischen Teil des Landes, südlich
der Flüsse Rhein und Maas. Eine Art von Bayern, wo die Rechte vorherrschte und Parteien links der Sozialdemokratie kaum
existenzfähig waren. Die SP war damals inspiriert von der Theorie und der Praxis der chinesischen Kommunisten. Sie entwickelte sich
aber bald zu einer unabhängigen Bewegung gegen Unternehmermacht, Umweltverschmutzung und Behördenwillkür. Sie ist eine aktive
Bewegung, die seit 1974 in immer mehr Gemeinderäten vertreten ist und seit 1987 auch im Rat der südlichen Provinz Brabant. Der
heutige Parteiführer Jan Marijnissen (49) hat seit Anfang der siebziger Jahre seinen Wohnort Oss zu einer Hochburg der Partei
umgestaltet, wo die SP mittlerweile mit 13 Gemeinderatsmitgliedern die größte Fraktion stellt. Er profiliert sich als ehemaliger
Industriearbeiter, ist aber auch durch seine Bücher und Fernsehauftritte bekannt. Aufgrund des isolierten und regionalen Ursprungs
außerhalb einer Weltbewegung hat die SP keine Verbundenheit mit der Vergangenheit der UdSSR und anderer sich sozialistisch
nennender Staaten. Auch andere Traditionen wie Kampflieder, Rote Fahnen und den Ersten Mai kennt sie kaum.
Auch schon vorher gab es in den Niederlanden politische Kräfte links von der Sozialdemokratie: Die kommunistische Partei CPN,
gegründet bereits 1909 und die linkssozialistische PSP (Pazifistisch Sozialistische Partei). Zusammen haben CPN und PSP bei
Nationalwahlen jedoch selten mehr als 6 % erreicht. In den achtziger Jahre verloren sie viele Wähler und Mitglieder an die damals
oppositionelle und sich radikalisierende Sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA). Die CPN verlor ihren letzten Abgeordneten 1986.
Die PSP war nach diesem Jahr nur noch mit einem Sitz im Parlament vertreten. Diese Enttäuschung hat die beiden Parteien endgültig
demoralisiert und vernichtet.
1991 entschied sich eine Mehrheit der verbliebenen Mitglieder von PSP, CPN und von zwei kleinen linkschristlichen Parteien der
neugründeten Partei Grün-Links beizutreten, insbesondere weil damals die Grünen im Nachbarland Deutschland sehr erfolgreich
waren. Mehrheitlich waren sie der Meinung, dass Sozialismus und Klassenkampf keine Zukunft mehr hätten in einem Zeitalter, in dem
es keine Sowjet-Union mehr gibt und die Arbeiter über Auto und eigenes Haus verfügen. Zur Priorität wurde deshalb die Umgestaltung
der Partei Grün Links zu einem linksliberalen und regierungsfähigen Wahlverein, der nicht nur mit Sozialdemokraten sondern auch mit
Rechts koalieren könne. Linke Minderheiten waren empört und haben diese Partei innerhalb weniger Jahre verlassen, wodurch sie
bald zurückfiel von mehr als 18.000 auf nur noch 11.000 Mitglieder. Aber keine der zersplitterten Gruppen von ehehemaligen PSP- oder
CPN-Anhängern war fähig, die aufgegebenen politischen Positionen zu übernehmen. Die Vereinigung der kampfbereiten Linken ist
endgültig erst der SP gelungen. Seitdem die Sozialdemokraten wieder zusammen mit Rechts regierten und mitverantwortlich wurden
für den teilweisen Abbau des Versorgungsstaats und der Daseinsvorsorge, gab es immer mehr unzufriedene ehemalige Wähler der
PvdA. Die Lücke, die PvdA und Grün Links ließen, gab der SP seit 1994 die Chance, im ganzen Land die alte Rolle auf der linken Seite
der Arbeiterbewegung zu übernehmen. Die Abwendung von Grün-Links vom Sozialismus war für die SP aber niemals Grund für Rache
oder Sektierertum. Grün-Links und SP standen vielmehr acht Jahre lang in einer gemeinsamen Opposition gegenüber der
sozialdemokratisch-liberalen Regierungskoalition. Für die Parlamentswahlen 2002 wurde ein technisches aber kein politisches
Abkommen zwischen beiden geschlossen. Grün Links hat sich auf eine Regierungsbeteiligung zusammen mit PvdA und CDA
vorbereitet. Die SP dagegen auf die Stärkung der Opposition, nun auch mit wachsender Beteiligung von Frauen, jungen Leute und
Migranten.
Auf Grund des Strebens nach einer weitgehenden Basisdemokratie lehnt die SP eine hochzentralisierte und bürokratische EU ab,
obwohl sie die Zusammenarbeit der Europäischen Völker zur Lösung gemeinsamer Fragen für notwendig hält. Bei den Europawahlen
1999 bekam sie 5,04 %, und damit ihren ersten Vertreter in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische
Grüne Linke.