Europa ist kein christlicher Club – Der Türkei eine klare Perspektive eröffnen
Zum EU-Gipfel in Kopenhagen und zur künftigen EU-Mitgliedschaft der Türkei, erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne
Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents, am 12. Dezember 2002:
Ich unterstütze die deutsch-französische Initiative, der türkischen Republik auf dem Kopenhagener EU-Gipfel zuzusichern, dass im
Jahre 2004 nach abschliessender Prüfung ein konkretes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen festgelegt wird.
Nach entscheidenden Verfassungsänderungen, die in die richtige Richtung weisen – so einem Gesetzespaket zur Stärkung der Grund-
und Bürgerrechte und der Abschaffung der Todesstrafe – kann man es der Türkei aus prinzipiellen Erwägungen heraus nicht länger
zumuten, weiterhin im Unklaren hinsichtlich eines Beitritts zur Union gelassen zu werden. Das Jahr 2004, nach dem avisierten
EU-Beitritt von zehn neuen Staaten, ist genau der richtige Zeitpunkt, um innerhalb einer relativ kurzen Frist zu prüfen, ab wann die EU mit
der Türkei Verhandlungen aufnimmt.
Allen, die einen Beitritt der Türkei mit Verweis auf die mehrheitlich muslimische Bevölkerung des Landes grundsätzlich ablehnen, muss
gesagt werden: Die Europäische Union ist kein exklusiver christlicher Club. Dies muss auch in der Präambel der künftigen
europäischen Verfassung klargestellt werden. Eine Verpflichtung auf die Werte des Humanismus, der Freiheit, der Solidarität und der
Gleichheit ist eine gute Basis für die Entwicklung der Europäischen Union hin zu einer Gemeinschaft, in der politische und religiöse
Institutionen strikt zu trennen sind. In dieser Gemeinschaft sollte auch eine Türkei mit langer laizistischer Tradition ihren Platz erhalten.
Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sind deshalb in Kopenhagen aufgerufen, der Türkei den Weg nach Europa zu
ebnen.
Dass sich die Türkei mit Blick auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union dabei noch weiter bewegen muss, steht für mich außer
Frage – so etwa hinsichtlich des Zypernkonflikts, der Anerkennung des Völkermords an den Armeniern, der Gewährleistung konkreter
Rechte für die Kurdinnen und Kurden sowie der Unterbindung von Folter und Grundrechtsverletzungen durch Polizei und Armee.
Selbstverständlich muss die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien Maßstab für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen sein.