Europapolitiker fordert Nachbesserungen bei Beitrittsabkommen

André Brie erklärt am 10. Dezember 2002: Diskriminierung bei EU-Erweiterung nicht zulassen

Unmittelbar vor dem EU-Erweiterungsgipfel in Kopenhagen hat der Europaabgeordnete Dr. André Brie erneut gefordert, die
Kandidatenstaaten bei den Beitrittsverhandlungen und nach deren Aufnahme nicht zu diskriminieren. „Wenn die mittel- und
osteuropäischen Länder nicht auf Dauer EU-Mitglieder zweiter Klasse bleiben sollen, sind fundamentale Nachbesserungen am
Vertragswerk nötig“, erklärte Brie am Dienstag in Berlin. Die am selben Tag beratende EU-Außenministerkonferenz rief der
PDS-Politiker auf, die Anstrengungen dieser Staaten insbesondere bei der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umgestaltung
gebührend zu berücksichtigen. „Obgleich diese Transformation vor allem im Interesse der westeuropäischen Wirtschaft liegt und einen
ungehinderten Marktzugang nach Osten sichern soll, ist Brüssel nicht bereit, den Neumitgliedern die gleichen Vergünstigungen
zuzugestehen wie den derzeitigen EU-Staaten.“

Die Anpassung an EU-Vorgaben habe bereits heute in den Beitrittsstaaten zu dramatischen Konsequenzen für Wirtschaft und Sozialpolitik geführt. „Die geplante Ungleichbehandlung nach der Aufnahme wird diese Entwicklung noch weiter verschärfen“, warnte Brie. Insbesondere die Vorenthaltung der vollen Agrarzuschüsse werde in Ländern wie Polen und der Tschechischen Republik zu weiteren sozialen Verwerfungen führen. Die Bauernproteste am vergangenen Mittwoch in Prag gegen die gedeckelten Agrarzuschüsseseien ein deutlicher Hinweis für die Unzufriedenheit mit der EU-Erweiterungspolitik.

Deutliche Kritik übte Brie an der Berichterstattung deutscher Medien über den Beitrittsprozess: „Statt die Chancen der EU-Erweiterung
für beide Seiten aufzuzeigen, werden bewusst oder unbewusst Vorurteile gepflegt.“ Dies betreffe in erster Linie Polen. „Wenn in
Rundfunkberichten über die Verhandlungsposition Warschaus von ‚Krawallbrüdern‘ gesprochen wird, schürt dies antipolnische
Ressentiments. Eine solche Stimmungsmache ist in keiner Weise akzeptabel“, hob der Parlamentarier hervor. „Der historische
Prozess der EU-Erweiterung verdient eine konstruktiv-kritische Begleitung – in den Medien wie in der Öffentlichkeit.“