Stabilitätspakt muss umgehend auf den Prüfstand

Zum Treffen der EU-Finanzminister der Euro-Gruppe in Kopenhagen erklärt die PDS-Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents:

Sicher hängen an diesem Wochenende die Haushaltsdefizite der EU-Mitgliederstaaten der Euro-Zone Deutschland, Portugal,
Frankreich und Italien wie ein Damoklesschwert über der Tagung der EU-Finanzminister der Euro-Gruppe in Kopenhagen. Gerade erst
wurde bekannt, dass die Defizitquote der deutschen öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sowie der
Sozialversicherungen in 2002 wegen beträchtlicher Steuerausfälle und erhöhter Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung
voraussichtlich auf über drei Prozent steigen wird. Dies verletzt eindeutig die Regeln des „Paktes für Stabilität und Wachstum“, die
pikanterweise 1997 vom damaligen Kassenwart Waigel (CSU) gegen den erklärten Willen so mancher EU-Partner durchgesetzt
worden waren.

Dass nicht genügend Geld in den Kassen ist und gleichzeitig in Berlin finanzielle Handlungsunfähigkeit regiert, liegt darin begründet,
dass der nationalen Finanzpolitik mit dem EU-Stabilitätspakt eine Zwangsjacke übergestülpt wurde, die zwecks Erreichens
ausgeglichener Haushalte zu eisernem Sparen zwingt, obwohl investive Ausgabenbeschränkungen bei schwieriger Wirtschaftslage
gegen jede ökonomische Vernunft verstoßen. Die Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung auf drei Prozent des
Bruttoinlandsproduktes wirkt prozyklisch und verschärft damit den konjunkturellen Abschwung zusätzlich.

Von daher wären die Euro-Finanzminister gut beraten, zügig den Stabilitätspakt zu reformieren. Die Wirtschafts-, Sozial-,
Beschäftigungs- und Umweltpolitiken der Euro-Staaten müssen stärker europäisch koordiniert werden, um öffentliche Investitionen zu
stärken und die EU-Binnenwirtschaft zu beleben. Investitionen sollten in den Bereichen Soziales und Ökologie getätigt werden.
Europaweit angelegte Investitionsprogramme beispielsweise im Verkehr oder in der Kommunikation könnten viele neue reguläre
Arbeitsplätze schaffen. Große Chancen eröffnet hier die Erweiterung der EU. Wegen ihrer geringen Außenwirtschaftsabhängigkeit und
der höheren Multiplikatoreffekte in einer großen Binnenwirtschaft sind kreditfinanzierte öffentliche Investitionen langfristig
selbstfinanzierend. Deshalb muss die Steigerung öffentlicher Investitionen auch nicht mit höherer Staatsverschuldung verbunden sein.
Aus diesen Gründen sollte der neue Pakt investitionsorientierte Verschuldung ermöglichen, während zugleich strukturelle öffentliche
Defizite verhindert werden müssen. Schulden sollten grundsätzlich bei guter Konjunktur abgebaut werden. Dies könnte durch eine
langfristig stabile, aber konjunkturell variable Schuldenstandsquote operationalisiert werden. Die Reform des Stabilitätspaktes gehört
auch auf die Tagesordnung des Europäischen Konvents, der am Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union arbeitet.