‚Die Grünen im Bündnis mit Konservativen und Liberalen‘

Zur Wahl von Pat Cox zum Präsidenten des Europäischen Parlaments erklärt die PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann am 15.01.2001 in Strassburg

Heute hat das Europäische Parlament einen neuen Präsidenten, den britischen Liberalen, Pat Cox, gewählt. Die Neuwahl des
Präsidenten ist ebenso wie die Neuwahl bzw. Neubesetzung verschiedener Positionen nach Ablauf der Hälfte der Legislaturperiode
des Parlaments schon viele Jahre Tradition. Es ist auch Tradition in Brüssel und Strasbourg, dass vor Personalentscheidungen
politische Fraktionen und Parteien gemeinsame Absprachen treffen, um Mehrheiten in ihrem politischen Interesse zu erreichen. Von
daher ist die Wahl von Pat Cox keine besondere Überraschung, denn seit mehr als zwei Jahren ist bekannt, dass die EVP-Fraktion der
christdemokratischen und konservativen Parteien im Sommer 1999 der Liberalen Fraktion versprachen, nach Ablauf der Amtszeit von
Nicole Fontaine, die der EVP-Fraktion angehört, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen und für die zweite Hälfte der Legislatur einen
Liberalen in das höchste Amt des Parlaments zu bringen. Vor diesem Hintergrund kann die Wahl von Pat Cox nicht überraschen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass sich die Fraktion der Grünen, die es mit in der Hand gehabt hätte, diese Absprache zu durchbrechen
und im zweiten Wahlgang den Kandidaten der SPE-Fraktion, den britischen Sozialisten David Martin, zu unterstützen, schon im Vorfeld
der heutigen Abstimmung öffentlich erklärt hat, dass sie mehrheitlich für Cox stimmen wird. Sie hat damit mitgeholfen, eine
liberal-konservative Mehrheit zusammenzubringen. Zu dieser Mehrheit gehören z.B. auch die Abgeordneten der rechtsaußen
angesiedelten Partei Berlusconis, Forza Italia. Diese politische Entscheidung der Grünen offenbart ein weiteres Mal, wie weit sich die
Grünen – im EP unter Führung ihres neuen Vorsitzenden Daniel Cohn-Bendit – von ihrem früheren politischen Profil inzwischen entfernt
haben. Die Farbe Grün steht in der Politik eben nicht mehr für „Alternativ“ und „Links“, sondern für „Neoliberal angepasst“ und
„Auswechselbar“.