Brüsseler Doppelzüngigkeit bei Menschenrechten
Dr. André Brie zu Haftbedingungen auf US-Basis Guantánamo am 21.01.2002:
Die Menschenrechtsverletzungen auf der US-Basis Guantánamo auf Kuba sind nicht mehr zu leugnen: Am Wochenende veröffentlichten
in- und ausländische Medien Fotos mutmaßlicher Taliban- und El-Kaida-Angehöriger, die gefesselt, mit Masken vor Mund und Nase
sowie geschwärzten Brillen, in das Internierungslager verbracht wurden. Dort werden die „gesetzlosen Kämpfer“ in Gitterkäfigen von
gerade einmal vier Quadratmeter Grundfläche wie Tiere gehalten.
Die EU schweigt zu den Vorgängen auf Guantánamo. „Wir haben dazu keine Meinung“, so der Sprecher von EU-Außenkommissar Chris
Patten Ende letzter Woche. Brüssel warte noch auf „Fakten“. Obgleich Amnesty International bereits erklärte, die Unterbringung von
Gefangenen in Käfigen falle „hinter den Minimalstandard menschlicher Behandlung zurück“. Obgleich sich das Internationale Komitee
vom Rotes Kreuz veranlasst sah, eine Untersuchungsdelegation nach Guantánamo zu entsenden. Obgleich selbst der britische
Außenminister Jack Straw von Washington Aufklärung über die Behandlung der Gefangenen auf dem US-Stützpunkt forderte. Worauf
wartet Brüssel eigentlich noch?
Die Doppelzüngigkeit Brüssels wie auch der deutschen Bundesregierung in Fragen der Menschenrechte ist offensichtlich: Einerseits
erklärten beide die „uneingeschränkte Unterstützung“ des US-amerikanischen „Anti-Terror-Feldzugs. Andererseits schließt man die
Augen vor offensichtlichen Rechtsverletzungen Washingtons. Die Menschenrechte gelten aber universell, ihre Durchsetzung darf nicht
nur Nichtregierungsorganisationen vorbehalten bleiben. Die Europäische Union und Berlin müssen sich dafür einsetzen, den
Gefangenen auf Guantánamo eine menschliche Behandlung und faire Prozesse zu gewährleisten. Das Schweigen der EU und der
Bundesregierung ist nicht nur doppelzüngig, sondern gefährdet zivilisatorische Rechts- und Völkerrechtsstandards.