Ignoranz gegenüber Problem der Massenarbeitslosigkeit ist Skandal
Dr. André Brie zur EU-Beschäftigungspolitik am 18.01.2002:
Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge für den Beschäftigungsgipfel Mitte März in Barcelona vorgelegt. Statt sich jedoch der realen
Probleme der Arbeitslosen in der EU anzunehmen, setzt die Kommission auf weitere Deregulierung und Liberalisierung der Märkte –
die letztlich allein den Unternehmen Vorteile bringen.
„Die bisherigen Fortschritte sind ermutigend“, meint die Kommission. Tatsache ist jedoch, dass mit derzeit 13,6 offiziell registrierten
Arbeitslosen in der EU die Quote von 7,8 Prozent Erwerbslosen nahezu gleich geblieben ist. Die von Brüssel gefeierte Öffnung der
Telekommunikationsmärkte oder die Einführung des Euro haben an diesem Fakt nichts geändert.
„Einige Kernvorschläge sind steckengeblieben“, meint die Kommission. Nicht nachvollziehbar ist aber, wie die geforderte Integration
der Finanzmärkte oder die Entwicklung des Satellitennavigationssystems Galileo den Arbeitslosen in der Gemeinschaft zu gute
kommen soll. Auch die weitere Privatisierung der Rentensysteme wird nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen, sondern soziale
Probleme weiter verschärfen.
„Einige Bereiche erfordern prioritäre Maßnahmen“, meint die Kommission. Das ist unbestritten. Allerdings reicht es bei weitem nicht
aus, die Steuer- und Transfersysteme zu überprüfen, die Arbeitszeiten zu „flexibilisieren“, die Mobilität der Arbeitnehmer zu erhöhen und
deren Sprachkompetenz zu verbessern. Gefragt sind vielmehr konkrete Schritte zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Vor fast zwei Jahren hat der Europäische Rat von Lissabon das Ziel gesetzt, die Union in zehn Jahren zur dynamischsten,
wettbewerbsfähigsten und nachhaltigsten Wirtschaft zu machen und die Vollbeschäftigung zu erreichen. Was nun von der Kommission
als Strategie vorgelegt wird, kann nicht anders als skandalöse Ignoranz gegenüber dem Problem der Massenarbeitslosigkeit in der EU
bezeichnet werden.