Neokolonialistische Verhandlungsstrategie der Kommission
Auf ihrer morgigen Sitzung will die EU-Kommission eine diskriminierende Konzeption für den Beitritt der osteuropäischen Länder beschließen. Dazu erklärt André Brie, Mitglied des Europäischen Parlaments:
Die Schlussphase der Beitrittsverhandlungen mit den neuen Mitgliedern der EU nimmt seitens der EU-Kommission und der jetzigen
Mitgliedsländer einen skandalös diskriminierenden Charakter an. Den Beitrittsländern, für die die Mitgliedschaft in der EU einen
erneuten umfassenden wirtschaftlichen Transformationsprozess und tiefgreifende, teilweise radikale soziale Umbrüche bedeutet,
sollen bis 2013 weder gleichberechtigt an den direkten Ausgleichszahlungen für die Landwirte noch im gleichen Umfang wie die
bisherigen Mitgliedsländer an den Zahlungen der Regional- und Strukturpolitik beteiligt werden.
Was bei den früheren Erweiterungsprozessen innerhalb Westeuropas selbstverständlich war – Gleichberechtigung und
Gleichbehandlung – , wird den osteuropäischen Ländern verwehrt. Die historische Herausforderung und Chance, die Spaltung des
europäischen Kontinents zu überwinden, wird von der Kommission und den Mitgliedsländern durch eine juristische, finanzpolitische
und soziale Spaltung in ein Zweiklasseneuropa akut gefährdet. Die Beitrittsländer sollen offensichtlich die verfehlte Agrarpolitik der EU
ausbaden. Die Kommission, die „die Hüterin der EU-Verträge“ ist, lässt sich von einigen Regierungen als Hüterin der Besitzstände der
reichen westeuropäischen Staaten missbrauchen. Die Saat, die jetzt aufgeht, ist jene des Berliner EU-Gipfels von 1999, als Schröder,
Fischer und ihre Partner – erpicht auf einen vordergründigen Erfolg – die finanzpolitische Vorschau der „Agenda 2000“ durchpeitschten,
die von vornherein eine gleichberechtigte Osterweiterung im Geltungszeitraum bis 2006 ausschloss. Die damaligen Kritiken, nicht
zuletzt aus der PDS, haben sich als zutreffend, die damalige Regierungs- und die Kommissionsargumentation als irreführend und
zynisch erwiesen.
Die von der Kommission geplante Politik ist die Fortsetzung der jahrhundertealten und so verhängnisvollen westeuropäischen Arroganz
gegenüber Osteuropa. Sie muss sofort und vollständig korrigiert werden, wenn die Osterweiterung ein sozialer und demokratischer
Erfolg und nicht eine neokoloniale Expansion werden soll!