Elementare Grundrechte in der EU dürfen nicht suspendiert werden
Erklärung der PDS-Europaabgeordneten Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents zur Absicht der italienischen Regierung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Europäischen Sozialforums in Florenz (6.11.02 – 9.11.02) durch die Aussetzung des Schengener Abkommens an der Anreise zu hindern
Mit großer Besorgnis habe ich die Ankündigungen der italienischen Regierung zur Kenntnis, genommen, im Vorfeld des Europäischen
Sozialforums in Florenz das Schengener Abkommen, welches den freien Personenverkehr gewährleistet, außer Kraft setzen zu wollen.
Demonstrations- und Versammlungsfreiheitsind hohe Güter. Die EU-Grundrechtecharta garantiert diese Rechte für alle
Unionsbürgerinnen und -bürger (Artikel 12). Es ist nicht hinnehmbar, dass diese Rechtsgüter durch administrative Verfügungen eines
einzelnen EU-Mitgliedstaates in ihrem Kernbestand bedroht werden. Auch das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit (Artikel 45,
EU-Grundrechtecharta) droht durch die Maßnahmen der italienischen Regierung ausgehebelt zu werden.
Mindestens ebenso bedenklich ist darüber hinaus der Versuch der rechtsgerichteten Berlusconi-Administration, das Europäische
Sozialforum schon im Vorfeld zu kriminalisieren oder gar öffentlich ein Verbot des Treffens zu fordern. Dieses Vorgehen ruft schlimme
Erinnerungen an die Stimmungsmache der italienischen Regierung im Vorfeld der Proteste gegen das G8-Treffen in Genua wach.
Die massiven Drohungen der italienischen Regierung müssen für die Mitglieder des Europäischen Konvents Ansporn sein, sich für
eine volle Rechtsverbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta einzusetzen, um auch in Zukunft für Bürgerinnen und Bürgern in ganz Europa
einen Schutz vor administrativen Grundrechtseinschränkungen zu gewährleisten. Ein Vorgehen, wie es die Regierung Berlusconi plant,
ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar.
Brüssel, den 5. November 2002