Irisches Referendum vermittelt wichtige Lehren für den Europäischen Verfassungskonvent

Erklärung der PDS-Europaabgeordnete, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents, zum Referendum in Irland über den Vertrag von Nizza

Die Zustimmung der Irinnen und Iren zum Vertrag von Nizza macht den Weg für die EU-Erweiterung frei. Den positiven Ausgang des
Referendums erreichte die irische Regierung vor allem dadurch, dass sie die berechtigten Zweifel der Bevölkerung über die
Gefährdung der irischen Neutralität durch die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zerstreuen konnte. Irland
setzte durch, dass sich das Land künftig nicht an autonomen EU-Militärinterventionen beteiligen wird. In der Tat hat nun die irische
Bevölkerung darüber entschieden, dass ihr Land in der Gemeinschaft verbleibt.

Jetzt ist allerdings der Europäische Konvent gefordert, denn die im Nizza-Vertrag vereinbarten politischen und institutionellen Reformen
der EU reichen bei weitem nicht aus, um die Gemeinschaft für die Erweiterung fit zu machen. Tatsache bleibt, dass entscheidende
europäische Zukunftsfragen in Nizza nur auf die lange Bank geschoben wurden. Eine um zehn neue Mitgliedsländer erweiterte EU ist
mit dem Nizza-Vertrag weder funktions- noch zukunftsfähig. Damit steht der Konvent in der Pflicht, geeignete Vorschläge für einen
europäischen Verfassungsvertrag zu erarbeiten und ein tragfähiges Fundament für die Zukunft des sich einenden Europa zu gestalten.

Eine der wichtigsten Lehren aus dem notwendig gewordenen zweiten irischen Referendum ist: Wer Europa über die Köpfe der
Bürgerinnen und Bürger hinweg regiert, wer wichtige Zukunftsfragen immer wieder aufschiebt und die Sorgen und Nöte der Menschen
in Europa nicht ernst nimmt, der läuft Gefahr, die Unterstützung für den europäischen Integrationsprozess zu verlieren.

Die entscheidende Aufgabe des Konvents für die Zukunft Europas besteht daher darin, die wirklichen Probleme der Menschen
anzupacken und dafür Lösungen auf den Weg zu bringen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen ein Europa der sozialen Gerechtigkeit
und des Friedens.

Brüssel, den 21. Oktober 2002