Wird sich Rot-Grün jetzt für ein Soziales Europa engagieren?
Erklärung der PDS-Europaabgeordneten Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents, zur Ernennung von Außenminister Fischer zum Beauftragten der Bundesregierung im Europäischen Konvent über die Zukunft Europas
Mit der Abberufung von Prof. Peter Glotz als Vertreter der Bundesregierung im Europäischen Verfassungskonvent und der Übertragung
dieser Aufgabe an Bundesaußenminister Fischer persönlich setzt die Bundesregierung zweifellos ein richtiges politisches Signal. Die
Personalentscheidung unterstreicht gegenüber den europäischen Partnerländern die hohe politische Bedeutung, die die
Bundesregierung dem Europäischen Konvent beimisst. Er soll bis spätestens Mitte nächsten Jahres einen Verfassungsvertrag für
Europa ausarbeiten. Der Vertrag wird für viele Jahre die Weichen für die Zukunft des europäischen Kontinents stellen.
Außenminister Fischer wird spätestens auf der nächsten Plenartagung des Europäischen Konvents am 28./29. Oktober 2002 unter
Beweis stellen können, ob die rot-grüne Bundesregierung gewillt ist, die Chance ihrer Wiederwahl zu nutzen und nicht eingelöste
Wahlversprechen der letzten Legislatur jetzt anzupacken. Schließlich hatte sie noch in ihrer Koalitionsvereinbarung von 1998 völlig
richtig erklärt, dass es „nur durch die Weiterentwicklung zu einer Politischen Union sowie zu einer Sozial- und Umweltunion gelingen
(wird), den Menschen Europa wieder näher zu bringen und die Europäische Union bürgernah zu gestalten“.
Der Konvent wird Ende Oktober darüber entscheiden, ob eine Arbeitsgruppe „Soziales Europa“ eingerichtet wird. Diese Arbeitsgruppe
des Konvents soll im Rahmen des europäischen Verfassungsvertrages zukunftsorientierte Vorschläge insbesondere für die
gemeinsame europaweite Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung vorlegen.
Peter Glotz hatte die Unterschrift unter diesen von mir, einer belgischen Sozialistin und einem österreichischen Grünen initiierten und
von fast 50 Konventsmitgliedern unterstützten Antrag (Conv 300/02 COR 2) mit dem Kommentar zurückgezogen, es sei
„Zeitverschwendung“, würde sich der Konvent mit diesem Thema befassen. Da sich Peter Glotz damit allerdings zugleich gegen die
französische Regierungsposition gestellt hatte, erwarte ich von Außenminister Fischer auch mit Blick auf das deutsch-französische
Verhältnis eine Korrektur der rot-grünen Europapolitik.
Berlin, den 18. Oktober 2002