Agrarkompromiss hilft heute – Agrarstreit wird aber erneut ausbrechen

Christel Fiebiger

Mit der Beilegung des Streites um die Agrarbeihilfen der EU wurde der entscheidende Durchbruch für die Endphase der Erweiterungsverhandlungen mit den 10 Beitrittskandidaten erzielt. Damit dürften diese Verhandlungen auf dem Kopenhagener EU-Gipfel im Dezember abgeschlossen werden. Das ist gut.
Der Kompromiss, für den der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Weg ebneten, besagt, dass die neuen Mitgliedsländer ab 2004 schrittweise an den EU-Agrardirektbeihilfen für Landwirte zu beteiligen sind. Im Gegenzug soll dafür ab 2007 der Hauptteil der Agrarausgaben in der gesamten EU auf dem Niveau von 2006 bis zum Jahr 2013 – bei Berücksichtigung der Inflationsrate – festgeschrieben werden.
Grund für großen Jubel besteht hierbei weder für die „Alt-Mitglieder“ noch für die künftigen „Neu-Mitglieder“ der Union. Hierfür sehe ich folgende Gründe:

Die Landwirte der Beitrittsländer sollen zwar ebenfalls Direktbeihilfen erhalten, aber bedeutend weniger als die Landwirte in den alten EU-Ländern, und zwar 2004 nur 25%, 2005 30% 2006 35% und erst 2013 100%. Selbst wenn diese Länder das für die bis Ende 2006 laufende Finanzperiode akzeptieren sollten (was derzeit nicht der Fall ist!), werden es sich mit Sicherheit nicht gefallen lassen, bis zum Jahre 2013 als EU-Mitglieder 2. Klasse behandelt zu werden. Vielmehr werden sie ab ihrem Beitritt zum 1.1.2004 an der Konzipierung der EU-Agrar- und Haushaltpolitik aktiv mitwirken und ihre Interessen zu Recht geltend machen.
Das „Einfrieren“ des Agrarbudgets ab 2007 auf dem Niveau des Jahres 2006 hat selbst Agrarkommissar Fischler noch vor 3 Wochen für völlig unrealistisch gehalten, denn Deckelung der Agrarausgaben bedeutet eine jährliche Rückführung der Agrarbeihilfen für die Landwirte in den alten Mitgliedsstaaten. Das wird somit zwangsläufig zu neuen Verteilungskämpfen zwischen den Mitgliedsstaaten führen.
Der Brüsseler Kompromiss ist nicht kompatibel mit dem umstrittenen Vorschlagspaket der EU-Kommission zur Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik, das ja nicht losgelöst von der fortschreitenden Liberalisierung der Weltagrarmärkte gesehen werden darf. Somit sind neue Schwierigkeiten vorprogrammiert.
Eine umfassende und ausgewogene Bewertung des Kompromisses ist selbstverständlich erst nach Vorliegen der Gipfelerklärung möglich.