Schriftliche Erklärung vom 30. Mai 2002 zur Abstimmung zur Erklärung im Rat über Madrider Gipfel EU – Lateinamerika

Hans Modrow

Hans M o d r o w, MdEP, 30. Mai 2002

Der Madrider Gipfel besitzt ohne Zweifel politisches Gewicht, vertraten doch die hier versammelten Staaten rund 870 Millionen
Einwohner und ein Viertel der Staaten der UNO. Trotz einiger Teilerfolge wie die Assoziierungsabkommen mit Chile und Mexiko ist die
Bilanz seit dem Rio-Gipfel von 1995 nicht überzeugend; ich bezweifele, dass Madrid trotz aller Absichtsbekundungen zu einem
Durchbruch zu einer höheren Qualität der Beziehungen zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik führt, wenn
nicht sachlich und konstruktiv drei Fragen geprüft werden.

1. Lateinamerika ist für Europa ein interessanter Handelspartner. Allein die deutsche Wirtschaft erzielt hier einen Handelsüberschuss
von 3 Milliarden Euro. Doch die eigentlichen Nutznießer sind die USA, die dabei sind, ihre geostrategischen und wirtschaftlichen
Interessen in Gestalt der Freihandelszone ALCA durchzusetzen und gegen äußere Konkurrenz abzusichern. Europa schadet sich
selbst, wenn es Lateinamerika widerspruchs- und alternativlos der Dominanz durch die nordamerikanischen Konzerne und Banken
überlässt.

2. Die negativen Folgen der ungezügelten Globalisierung zeigen sich nirgendwo so krass wie in Lateinamerika. Davon kündet die
wachsende Verelendung großer Bevölkerungsteile bis hinein in die Mittelschichten ebenso wie Finanz- und Staatskrise in Argentinien.
In Gestalt des Weltsozialforums von Porto Alegre hat sich eine Gegenkraft formiert, die auch nach Europa ausstrahlt. Wer selbstherrlich
diese Bewegung missachtet – wie auf dem Madrider Gipfel geschehen -, beraubt sich selbst wichtiger Verbündeter im Kampf gegen
Armut und Terrorismus, zwischen denen erwiesenermaßen ein Zusammenhang besteht.

3. Man muss Kuba nicht lieben, aber man muss es als eine politische Realität vorurteilsfrei zur Kenntnis nehmen, wie das der
ehemalige US-Präsident Carter bei seinem jüngsten Besuch getan hat. Wer wie die Bush-Regierung mit haltlosen Anschuldigungen
Hass verbreitet oder Ausgrenzung betreibt, handelt kurzsichtig. Europa kann nur verlieren, wenn es der grob gerasterten Politik
Washingtons folgt, das die Welt in Gut und Böse einteilt. Es ist an der Zeit, dass die EU ihre Haltung gegenüber Kuba revidiert und den
gleichberechtigten Dialog, wie er unter der belgischen Präsidentschaft in Gang kam, wieder aufnimmt und intensiviert.