Wissenschaftler bestätigen Kritik an
Zu den ersten Bewertungen der jüngsten Vorstellungen der EU-Kommission für eine EU-Agrarreform durch namhafte Agrarwissenschaftler erklärt die EuropaabgeordneteChristel Fiebiger:
Unmittelbar nach der Berliner Warnung des EU-Agrarkommissar Fischlers vor „Kassandra-Gesängen“ aus Ostdeutschland, mit der er die kritischen Stimmen von Landwirten, Politikern und Landesministern zum Kommissionsvorschlag zur Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik als unglaubwürdige Hiobsbotschaften abzuqualifizieren versuchte, traten namhafte Wissenschaftler, insb. die Professoren Kleinhanß (1) und Henrichsmeyer (2) – beide keine Ost-, sondern Westdeutsche! – mit ernüchternden Fakten an die Öffentlichkeit. So besagen ihre Auswirkungsberechnungen u. a.:
– Von der in Deutschland durch 3% Modulation und Kappung eintretenden Prämienkürzung von 256 Millionen Euro hätte Ostdeutschland 218 Millionen (40 Euro je Hektar) zu tragen, Westdeutschland dagegen lediglich 38 Millionen (3,30 Euro je Hektar).
– Vom EU-weiten Kappungsvolumen würden allein auf die ostdeutschen Großbetriebe bis zu 90% entfallen.
– Die von der Kappung betroffenen Großbetriebe müssten Prämienkürzungen von 5 bis zu 70%
hinnehmen.
– Von einer beschäftigungsfördernden Wirkung der Freibeträge könne nicht gesprochen werden, da sie nur einen Bruchteil der Lohnkosten ausmachen. Vielmehr wäre die weitere Freisetzung von Arbeitskräften eine der betriebswirtschaftlichen Antworten auf die Kappung.
– Durch die Entkoppelung der Direktzahlungen und die obligatorische ökologische Flächenstilllegung würde in Deutschland der Umfang der nicht mehr genutzten Flächen um rund 1 Million Hektar bzw. um 67% zunehmen, besonders in Ostdeutschland und Nordostbayern.
– Die Entkoppelung würde zu einer starken Verringerung der mit der Mutterkuhhaltung verbundenen Fleischproduktion, zu Stilllegung von Grünland und zu einer weiteren Extensivierung der genutzten Grünlandfläche führen, obwohl gerade in Ostdeutschland nicht zu viele, sondern zu wenige Tiere gehalten werden.
Unterm Strich wäre Ostdeutschland – und speziell die ländlichen Räume mit der EU-weit höchsten Arbeitslosigkeit – von massiven Verlusten an Produktion, Einkommen und Beschäftigung betroffen. Herr Fischler muss sich also fragen lassen, wie seine Vorschläge damit vereinbar sind, dass Ostdeutschland von der EU wegen seines gesamtwirtschaftlichen Rückstandes als Ziel-1-Gebiet eingestuft wurde.
Ich erwarte deshalb, dass die Aussagen der Wissenschaftler nicht als „Kassandragesänge“ abgetan, sondern von der EU-Kommission und Bundesregierung sehr ernst genommen werden. Auch eingedenk der Tatsache, dass jede intelligenzfeindliche Politik früher oder später zum Misserfolg wird.
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(1)Auswirkungen des Vorschlags der EU-Kommission zur Modulation von Direktzahlungen von Prof. Werner Kleinhanß, Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft, Agrarstruktur und ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig, in: Agra-Europe, Nr. 31 vom 29. Juli 2002 -DOKUMENTATION
(2) Auswirkungen der Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen der Agenda2000 Halbzeitbewertung auf Produktion, Faktoreinsatz und Einkommen der deutschen Landwirtschaft von Peter Kreins, Dr. Horst Gömann und Prof. Wilhelm Henrichsmeyer, in: Agra-Europe, Nr. 31 vom 29. Juli 2002 – SONDERBEILAGE