Der Vertreter von Rot-Grün will kein soziales Europa

Erklärung der PDS-Europaabgeordneten Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Konvents zu der für den 3. Oktober vorgesehenen Debatte über soziale Fragen im Plenum des Europäischen Konvents

Das Präsidium des Europäischen Konvents hat beschlossen, in der Plenardebatte am Donnerstag zwei Anträge zu diskutieren, in
denen zum einen die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema „soziales Europa“ und zum anderen eine Debatte im Plenum des
Konvents zu sozialen Fragen gefordert wird. Die Anträge wurden von den Europaabgeordneten Anne van Lancker (Sozialistische Partei,
Belgien), Johannes Voggenhuber (Grüne, Österreich) und von mir eingereicht. Sie werden von über 40 Konventsmitgliedern aus
verschiedenen politischen Lagern unterstützt, darunter auch vom Vertreter der französischen Regierung.

Ursprünglich hatte auch der Konventsvertreter der deutschen Bundesregierung, Peter Glotz (SPD), diesen Antrag unterstützt. Inzwischen
aber hat er seine Unterschrift wieder zurückgezogen. Ganz offensichtlich erfolgte dies auf Weisung von Bundeskanzler Schröder, den
Peter Glotz im Konvent vertritt. Damit ist klar: Die Bundesregierung will kein soziales Europa, denn de facto verweigert sie durch das
Agieren von Herrn Glotz selbst eine Debatte zu diesem wichtigen Thema europäischer Politik. Dieser blamable Akt kommt dem
traditionellen Bestreben der britischen Regierung entgegen, alles zu torpedieren, was Fortschritte in der europäischen Politik in
sozialen und Beschäftigungsfragen bringen könnte. Es sei nur daran erinnert, dass Tony Blair schon im Konvent zur Erarbeitung der
EU-Grundrechtecharta alles versucht hatte, die Aufnahme sozialer Rechte in die Charta und eine Rechtsverbindlichkeit der Charta zu
verhindern.

Das Agieren des Vertreters der rot-grünen Bundesregierung im Konvent steht zudem im krassen Gegensatz zu der
Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnisgrünen von 1998. Darin heißt es, dass es „nur durch die Weiterentwicklung zu einer
Politischen Union sowie zu einer Sozial- und Umweltunion gelingen (wird), den Menschen Europa wieder näher zu bringen und die
Europäische Union bürgernah zu gestalten.“

Ich fordere Peter Glotz auf, seine Verweigerungshaltung im Konvent aufzugeben und die genannten Initiativen im Plenum des Konvents
zu unterstützen. Zentrales Anliegen, auch der Bundesregierung, sollte es doch sein, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Armut und
sozialer Ausgrenzung sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene als vorrangige Angelegenheit zu betrachten.

Brüssel, den 2. Oktober 2002