Zusätzliche Aufsicht über Finanzkonglomerate: Gleiche Spielregeln für alle Finanzdienstleister
Erklärung von Helmuth Markov zur Diskussion über den Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission über zusätzliche Beaufsichtigung der Unternehmen in Finanzkonglomeraten am 20. Februar 2002 in Brüssel.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments hat gestern den Berichtsentwurf des grünen Abgeordneten
Alain Lipietz über einen Richtlinienentwurf zur zusätzlichen Beaufsichtigung von so genannten Finanzkonglomeraten diskutiert. Mit
dieser Initiative der Europäischen Kommission soll endlich die Ungleichbehandlung bei der staatlichen Kontrolle über die Aktivitäten
europäischer Finanzdienstleister beendet werden. Bisher werden von den Aufsichtsbehörden einzelne Banken, Versicherungen und
Wertpapierinstitute auf ihre Finanzlage und Solvenz hin überprüft – Zusammenschlüsse aus solchen Unternehmen fallen jedoch durch
das Raster. Dabei sind in nicht wenigen Mitgliedstaaten der EU solche Allfinanzgruppen bereits die größten Akteure auf dem
Finanzmarkt! Sie profitieren gegenüber ihren Konkurrenten von der komfortablen Situation, sich bei ihren Transaktionen nicht in die
Karten schauen lassen zu müssen.
War die Kommissionsinitiative zunächst eher als Präventivmaßnahme und als Vorbereitung auf die Verhandlungen um das Basel II-
Paket zu sehen, hat sie mit der Finanzaffaire um den us-amerikanischen Enron-Konzern plötzlich unerwartet an Aktualität gewonnen.
Durch den Konkurs des Energieriesen gingen Tausende Arbeitsplätze verloren, die finanziellen Verluste von Gläubigern und Aktionären
gehen in die Millionen.
Berechtigtes Ziel der zu verabschiedenden Richtlinie ist es daher, zum einem dem Risiko von Institutsausfällen vorzubeugen und zum
anderen für alle Finanzmarktakteure gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Der Richtlinienentwurf sieht dafür eine Reihe von
Maßnahmen vor:
– Es wird eine spezielle Aufsicht über Finanzgruppen, die über die traditionellen Branchen hinweg tätig sind, verfügt, da diese in der
Regel von den geltenden sektoralen Vorschriften nicht erfasst werden.
– Mit einer Anpassung der Eigenkapitalanforderungen soll künftig verhindert werden, dass Eigenkapital mehrfach belegt werden
kann oder aus Krediten geschöpft wird.
– Um die Aufsicht über Risikokonzentration und gruppeninterne Transaktionen durch die Behörden zu gewährleisten, werden die
Unternehmen zu regelmäßiger Berichterstattung, angemessenem Risikomanagement und internen Kontrollmechanismen
verpflichtet. Die Behörden haben zudem das Recht, quantitative Grenzen für Transaktionen und Risikokonzentration zu setzen.
– Da die Aufsichtstätigkeit branchenübergreifend ist und in der Regel mehrere EU-Mitgliedstaaten involviert sind, soll mit der
Einrichtung eines Koordinators der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Behörden effizient
gestaltet werden.
Der Berichterstatter stimmt dem Ansatz der Kommissionsvorlage zu und geht in einigen Punkten sogar darüber hinaus. Während für die
Kommission in einem Finanzkonglomerat mehr als 50% der Bilanzsumme aller beteiligten Unternehmen durch Finanzdienstleistungen
erbracht werden, schlägt der Berichterstatter vor, bereits Gruppen mit einem Anteil von 40% als Finanzkonglomerate zu betrachten.
Damit würden ganz zu Recht weitere Finanzunternehmen, die Teil einer großen Unternehmensgruppe sind, der behördlichen Aufsicht
unterzogen. Der Berichterstatter kritisiert darüber hinaus insbesondere, dass die Richtlinie keine quantitativen Grenz- und
Schwellenwerte für gruppeninterne Transaktionen und Risikokonzentration liefert und diese Entscheidung den Mitgliedstaaten
überlässt. Im Sinne einer Gleichbehandlung auf europäische Ebene sollte man aber dafür plädieren, Grenzwerte gemeinschaftlich
festzulegen. Der Berichterstatter schlägt außerdem vor, auch genossenschaftliche Konglomerate in die Richtlinie einbeziehen, da diese
bisher darin nicht erfasst sind.
Der Ausschuss wird am 25. Februar über den Berichtsentwurf abstimmen. Zahlreiche Änderungsanträge zielen darauf ab, den
Kommissionsentwurf zu verwässern, die Kontrollmöglichkeiten der zuständigen Behörden einzuschränken und damit den künftig unter
die Aufsicht fallenden Unternehmensgruppen Zugeständnisse zu machen und Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Der Ausschuss
sollte besser der Linie der Kommission und des Berichterstatters folgen und dem Plenum ein klares Votum vorlegen – für eine
Gleichbehandlung aller Finanzdienstleister auf dem europäischen Finanzmarkt und für einen Schutz der Verbraucher und Arbeitnehmer
vor Institutsausfällen.