Schröder und Blair wollen Konvent offenbar klein machen

Erklärung zur Forderung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Premier Tony Blair, den Europäischen Rat und die Ministerräte zu reformieren von Sylvia-Yvonne Kaufmann am 26. Februar 2002 in Brüssel

Was die beiden Regierungschefs zur Reformierung und zu mehr Transparenz der Räte einfordern, wie teilweiser Verzicht auf
einstimmige Beschlüsse, die oft blockieren oder öffentliche Tagungen und Straffung der Beratungen, zielen durchaus in die richtige
Richtung, wäre da nicht der Zeitpunkt ihrer Initiative. Denn am 28. Februar konstituiert sich in Brüssel der EU-Reform- und
Verfassungskonvent, der dieses Thema ganz oben auf seiner Tagesordnung hat, und hier sind es mehrheitlich Parlamentarier und
nicht Vertreter der Exekutive, die das Sagen haben und zu durchaus weiter reichenden Ergebnissen kommen könnten. Deshalb sollen
jetzt offenbar Pflöcke eingerammt und dem Konvent von Anfang an verdeutlicht werden, dass seine Bäume nicht unkontrolliert in den
Himmel wachsen.

Bekanntlich sind nicht das Europäische Parlament oder die EU-Kommission, sondern die Räte und damit die in ihnen vertretenen
Regierungen der EU-Mitgliedsländer die mächtigste EU-Institution. Die nationalen Exekutiven sind in der europäischen Politik zugleich
ihre eigene Legislative, was aus Sicht parlamentarischer Demokratie ein Unding ist und dringend geändert werden muss. Doch ob
daran der Konvent substanziell rütteln soll, ist fraglich, denn in diesen Gremien finden wie auf einem Basar die großen
Tauschgeschäfte statt, die die Regierungschefs und Fachminister dann an der „Heimatfront“ dem Wahlvolk als „gegen Brüssel“
errungene nationale Siege verkaufen – auch deshalb der Schulterschluss und das hektische Agieren von Schröder und Blair, die in
jüngster Vergangenheit durchaus nicht als eifrige EU-Erneuerer in Erscheinung getreten sind.

Zu hoffen ist, dass sich der Konvent vom Schröder-Blair-Schachzug nicht täuschen lässt und die notwendige tiefgreifende Reform der
Europäischen Union entschlossen voranbringt.