Alter Wein in neuen Schläuchen

Europaabgeordneter Dr. André Brie zu ’neuer Partnerschaft‘ der NATO mit Russland, Straßburg/Brüssel, 14. Mai 2002:

Die vollmundig von der NATO als „neue Partnerschaft“ angekündigte Strategie gegenüber Russland entpuppt sich als Aufguss der
bekannten Politik der Allianz. Am bisherigen Kurs des „19 gegen 1“ im NATO-Russland-Rat werden auf dem Außenministertreffen in
Reykjavik am Dienstag und Mittwoch nur kosmetische Änderungen vorgenommen. Dass es keineswegs um die Gleichberechtigung
Moskaus und die Berücksichtigung der russischen Sicherheitsinteressen geht, zeigen allein schon die letzten Tage und Wochen:

So wurden erst am Montag in Brüssel die Weichen für eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen NATO und EU gestellt. Die
Warnungen Moskaus vor der Militarisierung der Europäischen Union und dem Aufbau einer „Eingreiftruppe“ wurden in den Wind
geschlagen.

So ist die Aufnahme osteuropäischer Länder und auch der baltischen Staaten im November in die NATO seit wenigen Wochen de facto
beschlossene Sache. Damit wird nicht nur der Ring um Russland weiter geschlossen; erstmals werden auch ehemalige
Sowjetrepubliken Mitglieder des westlichen Militärbündnisses. Dass sich Moskau bedroht fühlt, ist nur allzu verständlich.

So setzten sich die USA zu Wochenbeginn auch mit ihren Vorstellungen von atomarer „Abrüstung“ durch: Um zu einem Vertrag über die
Reduzierung der Nuklearsprengköpfe zu kommen, der für Russland auch aus ökonomischer Sicht wichtig ist, musste Moskau der
Einlagerung von einem Teil der US-Gefechtsköpfe statt deren Vernichtung zustimmen.

Dass selbst die angekündigte „Mitsprache“ Moskaus bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder der
Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen nur auf dem Papier steht, räumt sogar die NATO ein. Die Praxis werde zeigen,
wie weit die Zusammenarbeit geht, heißt es in Brüssel. Mit solcherart Aussagen hat Moskau in der Vergangenheit schlechte
Erfahrungen gesammelt: Das Versprechen, den Militärpakt nach dem russischen Abzug aus Mittel- und Osteuropa nicht nach Osten zu
erweitern wurde ebenso gebrochen wie jenes, nicht ohne UN-Mandat im Kosovo zu intervenieren.