Rotgrüne Europapolitik ist inkohärent und konzeptionslos
Zum Treffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi am 29.April erklärt Sylvia-Yvonne Kaufmann, PDS-Europaabgeordnete und Mitglied im Europäischen Konvent:
Es stellt sich schon die Frage: Was ist eigentlich mit der Europapolitik der rot-grünen Bundesregierung los? Monatelang wurde die
Brüsseler EU-Kommission heftigst für Entscheidungen – Stichwort „Blauer Brief“ – attackiert, obwohl deren Grundlagen von früheren und
der jetzigen Bundesregierung selbst gelegt wurden. Nun meint die Bundesregierung, vermeintliche Interessen der deutschen Auto- und
Chemieindustrie, die rasch zuvor als vorgebliche Interessen europäischer Industriepolitik ausgegeben wurden, bei einem Dinner mit
Vertretern der EU-Kommission in einem Nobelrestaurant am Rande Brüssels durchsetzen zu können. Und drohend wurde als Dessert
noch nachgereicht: Wenn die Menschen in Europa Brüsseler Entscheidungen nicht mehr verarbeiten könnten, drohe eine
Rückbesinnung aufs Nationale.
Tatsache ist vielmehr: Nach fast vier Jahren rot-grüner Regierung wurde nicht ein einziger ernsthafter Schritt unternommen, um das
rot-grüne Wahlversprechen von 1998 zu realisieren, eine europäische Sozial- und Beschäftigungsunion auf den Weg zu bringen, die
allen Bürgerinnen und Bürgern reale Vorteile bringen würde. Über die französische Idee einer europäischen Wirtschaftsregierung, ohne
die die Währungsunion auf längere Sicht nicht funktionieren kann, wurde nicht einmal diskutiert. Nichts wurde unternommen, um
Spielräume für eine antizyklische Wirtschaftspolitik zu schaffen, um die Konjunktur in Deutschland und europaweit anzukurbeln.
Deutsche Europapolitik darf sich nicht darin erschöpfen, „Brüssel“ zum Unheil verbreitenden Monster zu machen, vor dem die deutsche
Wirtschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger geschützt werden müssten. Gerade dies befördert eine Abkehr von Europa und stärkt
Rechtsradikale wie Le Pen in Frankreich. Gerhard Schröder ist deshalb schlecht beraten, Wahlkampf auf dem Rücken der
Europäischen Kommission zu führen, wenn es an der „Heimatfront“ um die Macht geht.
Die Bundesrepublik braucht eine verlässliche Europapolitik. Deutsche Kraftmeierei gegenüber europäischen Institutionen wird sich
nicht auszahlen, sieht man einmal davon ab, dass sich die Kommission bereit fand, die Rechnung für das opulente Essen mit Gerhard
Schröder und seinen Kanzleramtsmitarbeitern zu begleichen.