Gemeinsame Europäische Außenpolitik auf gefährlichem Kurs

André Brie, Karin Schüttpelz

‚When I want to speak to Europe, whom do I call?‘ fragte einst der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Heute
hätte er die Wahl zwischen Javier Solana, dem Hohen Vertreter der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, dem jeweils
amtierenden Ratspräsidenten, und Chris Patten, dem für die Außenbeziehungen zuständigen Mitglied der Europäischen Kommission.
Es gibt ‚Grundsätze und Leitlinien‘ der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP), ‚Gemeinsame Strategien‘
und ‚Aktionen‘. Aber es fehlt an einer gemeinsamen Vision, wie sich die EU aktuellen und künftigen globalen Herausforderungen stellen
will, welche Prioritäten und Ziele sie verfolgt und welche Rolle sie in der internationalen Politik künftig zu spielen gedenkt. Nationale
Machtinteressen und Egoismen verhindern, dass die Potenzen, die einer eigenständigen europäischen Politik auf internationalem
Parkett innewohnen könnten, wirksam werden. Die Tendenzen in der EU-Außenpolitik waren lange Zeit widersprüchlich: Neben
Krisenpräventionsmechanismen, Ansätzen für strategische Partnerschaften mit Staaten und Regionen, eigenständigen Positionen zu
globalen Fragen wie z.B. bei der Weltklimakonferenz bereitete die EU die Militarisierung der Außenpolitik vor und unterstützte die
Bombardierung Jugoslawiens. Seit dem 11. September entgleiteten der EU die mühsam errungenen ersten Elemente eines
eigenständigen außenpolitischen Profils. Es gilt Vasallentreue gegenüber den USA. Zivile Krisenmanagementkonzepte erweisen sich
als Makulatur. NATO-Bündnissolidarität bestimmt das außenpolitische Agieren. Eine neue Troika – Blair, Chirac und Schröder –
dominiert die EU- Außenpolitik, in der der militärische Faktor – diesmal bei der internationalen Terrorismusbekämpfung – die
entscheidende Rolle spielen soll. Ist das die außenpolitische Strategie der EU für das 21. Jahrhundert?

Die Entscheidungen über die GASP fallen hinter den verschlossenen Türen der EU-Staats- und Regierungschefs. Es gibt weder
Transparenz noch demokratische Kontrolle. Das Europäische Parlament wird lediglich informiert und angehört. Die öffentliche
Diskussion zu einem Aspekt der GASP, nämlich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, anzustoßen, dazu wollen wir mit dieser
Ausgabe von europarot beitragen.

Krieg ist keine Antwort auf Terror

Mit Bestürzung und Trauer hat die Fraktion GUE/NGL auf die grausamen Anschläge in New York und Washington reagiert und diese
und jegliche anderen Terrorakte, denen unschuldige Menschen zum Opfer fielen, aufs Schärfste verurteilt. ‚Es gibt kein politisches Ziel,
das derartige Verbrechen rechtfertigt.‘ Die Kriegslogik der Bush?Administration lehnte die Fraktion in einer entsprechenden Erklärung
jedoch konsequent ab und forderte die Mitgliedstaaten der EU auf, den von den USA verkündeten Rachefeldzug nicht zu unterstützen.
‚Mit Krieg lässt sich der Kampf gegen den Terrorismus nicht gewinnen.‘ Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen ‚als
echte Partner der USA‘ ihren Einfluss konsequent nutzen, damit bei der Bekämpfung des Terrorismus keine Wege beschritten werden,
bei denen das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt wird.

‚Dem Terrorismus kann der Boden entzogen werden, indem nachhaltige, eigenständige Entwicklung, Menschenrechte, Demokratie,
Toleranz und internationale Gleichberech-tigung und Gerechtigkeit gefördert werden.‘ Unumgänglich sei die rasche, gerechte Lösung
langanhaltender internationaler Konflikte auf der Grundlage des Völkerrechts, allen voran des Nahostkonflikts. Länder? und
parteiübergreifend sei man sich bewusst, dass Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln auszurotten ist. Zu begrüßen sei, dass der
Europäische Rat und die Europäische Kommission in außerordentlichen Beratungen Probleme der Terrorismusbekämpfung in Europa
diskutiert haben. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente müssen an den Entscheidungen über die Maßnahmen
zur Stärkung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beteiligt werden. Nicht Aufrüstung und Schaffung neuer
Militärstrukturen, sondern konsequente Erweiterung und Internationalisierung der Maßnahmen zur Beschränkung und Kontrolle der
Rüstungsexporte und der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und militärischer Technologie stünden auf der
Tagesordnung.
Der vollständige Text der Erklärung der Fraktion GUE/NGL vom 27. September 01 ist unter www.pds-europa.de dokumentiert.