Partei der kommunistischen Neugründung Italiens
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vor zweieinhalb Jahren erhielt die Partei der kommunistischen Neugründung, Rifondazione Comunista 4,3% der Stimmen – den geringsten Stimmenanteil in den 11 Jahren ihrer Existenz – vier Abgeordnete (Luisa Morgantini, parteilos, Guiseppe Di Lello, Luigi Vinci und Fausto Bertinotti, Generalsekretär der Rifondazione) wurden gewählt. Zuvor wäre die Partei fast ins Straucheln geraten durch die Abspaltung ihres moderateren Flügels, angeführt durch ihren (ehemaligen) Präsidenten Armando Cossutta, und der sich daraus ergebenden Gründung der Partei der Kommunisten Italiens, der PdCI. Der moderate Flügel hatte gegen den Austritt aus der parlamentarischen Mehrheit, die die Regierung Romano Prodi unterstützte, plädiert. Bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr erhielt die Rifondazione dann wieder 5% der Stimmen, seitdem scheint ihr gesellschaftlicher Einfluss erneut zu steigen.
Die Präsenz des Generalsekretärs, Fausto Bertinotti, in unserer Delegation ist von besonderer Bedeutung, denn Rifondazione denkt die Europäische Union nicht nur als einen Ort, an dem grundsätzliche Entscheidungen über die allgemeinen Lebensbedingungen der europäischen Bevölkerungen gefällt werden, sondern auch als einen Ort, an dem gegen diese Entscheidungen opponiert werden kann. Wir halten es für eine Illusion, die Verteidigung der Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter und im allgemeinen der europäischen Bevölkerungen gegen die negativen Effekte der Globalisierungsprozesse unter kapitalistischer Führung zu organisieren, indem wird uns in unseren nationalstaatlichen Grenzen einschließen. Wir denken darüber hinaus, dass nur die politische Einigung Europa wirklich aus der Geschichte der furchtbaren Kriege zwischen seinen Völkern in den vergangenen Jahrhunderten befreien kann.
Zur gleichen Zeit setzen wir uns ein für eine Demokratisierung der Europäischen Union, für eine stärkere Orientierung der Linken auf die Felder der Politischen Ökonomie, des Sozialen und der kapitalistischen Peripherie und nicht zuletzt für eine Abrüstung auf dem gesamten Kontinent. Rifondazione Comunista bereitet sich gegenwärtig auf ihren sechsten Kongress vor, der Ende März 2002 stattfinden wird. Dabei handelt es sich für die Partei um eine Phase von großer Wichtigkeit. Vor allem wollen wir zum ersten Mal eine genaue Definition unserer Identität vorlegen, nicht nur in strategischer Hinsicht, sondern auch in kultureller. Das ist auch aus einem anderen Grund von entscheidender Bedeutung. In der früheren „Rifondazione Comunista“ gab es zwei sehr unterschiedliche Lesarten der „Kommunistischen Neu/Wiedergründung“, die in zunehmendem Maße gegensätzlicher wurden. Für die Cossuttianische Strömung – die selbst nur in geringen Maße Cossutta bei der Spaltung hin zur PdCI, zur Partei der italienischen Kommunisten, gefolgt ist, und die stark von einer stalinistisch geprägten politischen Kultur beeinflusst ist – natürlich in der abgeschwächten italienischen Variante, und die deshalb durch einen extrem taktischen Moderatismus charakterisiert ist, der sie in den traditionellen europäischen Reformismus hineinzieht – bedeutet „Rifondazione Comunista“ die Wiedergründung der früheren PCI von vor 1991 oder besser gesagt der Partei der fünfziger und sechziger Jahre. Für den anderen Teil der Partei, die vom ingraoistischen* Flügel der Partei, von der Neuen Linken oder der IV. Internationale kommen und gerade auch für die jungen Mitglieder bedeutet „Rifondazione Comunista“ eine radikale Erneuerung der politischen Kultur. Es geht ihnen um die kritische Überwindung einer militaristischen Konzeption der Partei und um die Bekräftigung der Konzeption eines Sozialismus als Demokratisierung der Totalität des gesellschaftlichen Prozesses.
Gerade das gewaltige Anwachsen des Widerstands, angefangen von den Demonstrationen im Juli in Italien, der Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung und danach des großen Oktobermarsches von Perugia nach Assisi gegen den Krieg hat die Notwendigkeit einer schnellen Erneuerung der Partei bestätigt. Auf der einen Seite ist nicht unsere gesamte Partei dazu fähig, die Bewegung zu integrieren und sich ihr anzunähern, gerade der cossuttianische Flügel stellt sich gegen eine Orientierung auf die Bewegung und kritisiert darüber hinaus die Integration der Partei in sie. Auf der anderen Seite stehen die jungen Kommunistinnen und Kommunisten und der allergrößte Teil der Partei, die es notwendig finden, sich in die Bewegung zu integrieren und in ihr eine politische Idee verkörpert sehen, hier an erster Stelle die Idee der demokratischen Massenaktion statt des technischen Kommandos über die Massen. Das hat die Sympathien für die Rifondazione in der Bewegung gegen die Globalisierung und den Krieg stark erhöht, insbesondere in ihrem jüngeren Teil. Es ist interessant festzustellen, dass gerade auch im katholischen Teil der Bewegung, der der numerisch stärkste ist, die Sympathien für die Partei in großer Offenheit geäußert werden – aber zur gleichen Zeit auch die Erwartungen an ihre schnelle Erneuerung.
Übersetzung: Martin Hantke
* Benannt nach Pietro Ingrao, Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf, von 1947 bis 1957 Direktor der Parteizeitung Unita. Seit 1948 Abgeordneter der Italienischen Kommunistischen Partei, 1976 wurde er Parlamentspräsident. Ingrao verließ 1993 die in Partei der Demokratischen Linken (PDS) umbenannte KPI.
Luigi Vinci: Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik, Stellvetretendes Mitglied des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie.
Giuseppe di Lello Finuoli: Mitglied des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Mitglied des Petitionsausschusses, Stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Luisa Morgantini: Mitglied des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie, Stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit.
Fausto Bertinotti: Mitglied des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie, Stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt.