Landwirte und Verbraucher schützen
Die Naturwissenschaft hat zu BSE mehr Fragen als Antworten. Das macht Landwirten wie Politikern das Leben nicht gerade leicht. Die gesellschaftlichen Ursachen der BSE-Krise liegen dagegen klar auf der Hand. Es sind die gleichen, die aus der Landwirtschaft einen Hauptverursacher von Umwelt- und Naturschutzproblemen machten. Sie liegen in der Profitorientierung der kapitalistischen Produktionsweise.
International agierende Konzerne beherrschen den Markt für Maschinen und Agrochemikalien, und eine Handvoll großer Lebensmittelketten diktiert Preise und Konditionen für die Zulieferer. Dazwischen kämpfen die landwirtschaftlichen Betriebe um ihre Existenz und werden dabei zu ihren eigenen Konkurrenten. Nur wer immer rationeller und effektiver produziert, überlebt. Deshalb ist es verwerflich, den Bauern die Schuld an der Krise der Landwirtschaft zu geben. Das lenkt nur davon ab, dass die Kapitalverwertungsinteressen der vor- und nachgelagerten Bereiche in bisher ständig zunehmenden Maße die Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion bestimmt haben. Es lenkt auch davon ab, dass der Staat, insbesondere hinsichtlich seiner Kontrollfunktion, versagt hat. Vor vier Wochen wurde das BSE-Maßnahmengesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet, das das Landwirtschaftsministerium ermächtigt, auch aus Gründen der menschlichen Gesundheitsfürsorge BSE-Bekämpfungsmaßnahmen im Tierseuchen-, Futtermittel- und Tierkörperbeseitigungsrecht zu ergreifen. Noch liegt die nationale Verordnung und damit die Antwort auf die Frage, Bestandstötung und/oder Kohortentötung, nicht vor. In dieser Frage gibt es auch in meiner Fraktion unterschiedliche Auffassungen. Da es sich bei BSE um keine Seuche, sondern nachgewiesenermaßen um eine Einzeltiererkrankung handelt, bin ich für die Tötung der betroffenen Einzeltiere oder der Kohorten. In der EU praktizieren alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Großbritanniens die Bestandstötung. In der Schweiz ist man nach jahrelanger Bestandstötung zur Kohortentötung übergegangen. Dennoch steht für die betroffenen Betriebe die Frage, ob ihnen Milch und nicht erkrankte Schlachttiere abgenommen werden.
Meine Fraktion ist gegen die verhängnisvolle Logik, erst Überproduktion zu subventionieren und dann nochmals deren Vernichtung. Zumal die eigentlichen Profiteure nicht die Landwirte, sondern die großen privaten Lagerhalter und Exporteure sind. Dennoch erachte ich das Herauskaufprogramm von Rindern als eine notwenige Maßnahme.
Die BSE-Krise zeigt, dass es höchste Zeit wird, die Futtermittelindustrie unter die Lupe zu nehmen. Es ist ein Skandal, dass bis vor kurzem jeder von BSE betroffene Landwirt über den Bildschirm bekannt gemacht wurde, während die Mischfutterbetriebe, denen das bereits 1996 verbotene Tiermehl im Rinderfutter nachgewiesen wurde, bis heute im Dunkeln bleiben. Wichtig ist, dass mit dem BSE-Maßnahmengesetz ab sofort schwerwiegende Verstöße als Straftatbestände eingestuft sind und nunmehr entsprechend geahndet werden können.
Gutes Futter ist die Voraussetzung für gute Qualität. Deshalb brauchen wir die offene Deklaration und die Einführung einer Positivliste für Futtermittel, strengere Kontrollen und endlich auch die Bestrafung derjenigen, die mit krimineller Energie gegen Gesetze verstoßen. Im Oktober vergangenen Jahres beschäftigte sich das Europäische Parlament mit Vorschlägen für eine Richtlinie über die Kennzeichnung der Zusammensetzung von Mischfuttermitteln. Ich hoffe, dass daraus unverzüglich eine rechtsverbindliche Handlungsgrundlage für alle Mitgliedstaaten wird, denn was so alles in den Futtermitteln steckt, ist derzeit ziemlich undurchsichtig. Für den Verbraucher muss erkennbar sein, welche Nahrung er seinen Tieren anbietet.
Um die Gesundheit des Verbrauchers dauerhaft zu schützen und ihn auch wieder für heimisches Fleisch zu begeistern, sind weitere Maßnahmen notwendig. So müssen die Vorschriften für die Nutztierhaltung und die Tiertransporte verschärft werden. Es muss außerdem Schluss sein mit antibiotischen Leistungsförderern im Tierfutter. Es muss klar geregelt sein, wer die BSE-Folgekosten zu tragen hat. Gebraucht wird eine Analyse der Auswirkungen der „BSE-Krise“ auf die Einkommenssituation der Landwirtschaftsbetriebe und eine schnelle unbürokratische staatliche Hilfe, um die Gefährdung der Existenz von Betrieben mit BSE-Fällen einzudämmen und akuten Liquiditätsengpässe wegen des Einbruchs des Marktes und der Erzeugerpreise für Schlachtrinder zu begegnen, z. B. in Form direkter Überbrückungszuschüsse und erheblich zinsverbilligter Kredite mit längeren Laufzeiten.
Sicher hilft es, dass die Bundesregierung in Brüssel erreicht hat, dass die Vorschüsse auf die Tierprämien erhöht werden und die Kommission die Sonderprämie und die Extensivierungsprämie nicht kürzt, wenn die Besatzdichte BSE-bedingt überschritten wird. Hilfreich ist auch, dass mit dem BSE-Maßnahmengesetz die Möglichkeit geschaffen wurde, dass Betriebe, die in ihrer Herde einen BSE-Fall hatten, ihre Milchquoten auf andere Landwirte übertragen können. Geholfen werden muss jedoch auch den Milchbauern, die ihre Altkühe oder Exportfärsen nicht mehr loswerden und damit ihre Milchquoten zwangsläufig überliefern. Deshalb unterstützt unsere Fraktion die Forderung nach Aussetzung der Superabgabe.
Unsere Hauptforderungen sind
– Schnelle Einführung von finanziellen Anreizen zur Absenkung der Schlachtgewichte und Schlachtung jüngerer Rinder,
– Förderung des Anbaus der Produktion eiweißreicher Futterpflanzen, auch auf Stilllegungsflächen in allen Betriebsformen,
– Intensivierung und Vernetzung der Forschung zum Komplex BSE – Creutzfeldt- Jakob-Krankheit (CJK),
In Bezug auf die Maul- und Klauenseuche muss die Frage der Impfung – eine Vorbeugungsmaßnahme, die sich über Jahrzehnte bewährt hat -, wieder ernsthaft ins Auge gefasst werden. Die Kosten dafür wären sicher geringer als der zu erwartende volkswirtschaftliche Schaden für die von MKS betroffenen Betriebe. Hinzu kommt angesichts der Scheiterhaufen mit Tierkadavern eine ernsthafte ethische und tierschützerische Dimension. In Anbetracht der vielen Hiobsbotschaften – von BSE bis MKS – ist das jetzt Allerwichtigste, das Vertrauen der Verbraucher, die das Recht auf gesundheitlich unbedenkliche Lebensmittel haben, zurückzugewinnen.