Runder Tisch mit Polen und Tschechen

Giso Siebert

Großes Interesse an Informationen zu Fragen der Erweiterung der Europäischen Union offenbarte auch der 2. Runde Tisch der Europäischen Linken, der am 9. und 10. Dezember 2000 im Eurocamp am Helenesee bei Frankfurt/Oder stattfand. Auf Einladung der PDS-Delegation in der GUE/NGL-Fraktion kamen Kommunalpolitiker und Parlamentarier aus den benachbarten polnischen und tschechischen Regionen und dem Land Brandenburg zusammen.

MdEP Hans Modrow umriss zu Beginn den Prozess der EU-Osterweiterung aus Sicht der Linken im Europäischen Parlament. Insbesondere die Rolle des Parlamentes sah er sehr kritisch. Es sei zu wenig in die wichtigen Beitrittsverhandlungen einbezogen. Es darf mitdiskutieren, Empfehlungen geben, Kritik üben. Es begleitet den Prozess politisch, kann aber nicht direkt eingreifen. Das Entscheidungsrecht hat das Parlament erst nach Abschluss der Verhandlungen, wenn ihm die Verträge zur Ratifizierung vorgelegt werden, so Hans Modrow.

Für die Linken im Europäischen Parlament, die keine einheitliche Meinung in vielen Aspekten der EU-Erweiterung hat, benannte der Osterweiterungsexperte der PDS im Europaparlament einige gemeinsame Positionen. Dem Prozess des Sozialabbaus müsse sich die europäische Linke mit eigenen konsequenten Forderungen entgegenstellen. Es darf keine Armutsgrenze zwischen den 15 jetzigen EU-Mitgliedern und den 10 mittelosteuropäischen Staaten geschaffen werden. Hans Modrow erteilte damit den Avantgarde-Ambitionen einiger Staaten eine Absage. Schließlich darf der Beitrittsprozess nicht dazu dienen, die Militarisierung der EU abzusichern. Die Erweiterung darf nicht die Gegensätze zum Osten, also zu Russland, Belarus, die Ukraine und die GUS-Staaten verschärfen.

Jaromír Kohlícek, Abgeordneter im Prager Nationalparlament und Mitglied der Gemischten Delegation EU-Tschechische Republik, zeigte sich enttäuscht über den derzeitigen Stand und Verlauf der Beitrittsverhandlungen. Meist wird nicht über die zentralen Fragen der Osterweiterung gesprochen, sondern über bilaterale Probleme. Die wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Fragen erfahren so keine wirkliche Lösung.

Im weiteren Verlauf der Tagung informierten MdEP Christel Fiebiger (Landwirtschaft), Gerlinde Stobrawa (MdL Brandenburg) und MdEP Helmuth Markov (Regional- und Kommunalpolitik) sowie Joachim Mertens (Optik-Kompetenzzentrum Rathenow und OWUS-Wirtschaftsverband) über Entwicklungen und Probleme der EU-Erweiterung bezogen auf ihr jeweiliges Politikfeld. Am Ende der zweitägigen Beratung verabredeten sich die Teilnehmer zu weiteren Kontakten und Beratungen, insbesondere auch zu Fragen der Osterweiterung.