Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU unbefriedigend

Andreas Wehr

Pernille Frahm ist Europaabgeordnete und arbeitet als Mitglied der Sozialistischen Volkspartei Dänemarks in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke. Im Europäischen Parlament ist sie Mitglied des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und Innere Angelegenheiten. Mit ihr sprach Andreas Wehr.

Der Europäische Rat hat sich im Oktober 1999 auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages für die Formulierung einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik der EU ausgesprochen. Nun gibt es inzwischen Entwürfe für einzelne Richtlinien, etwa über die Familienzusammenführung. So recht kommt die Sache aber nicht voran. Viele kritische Beobachter sprechen von einem Flickenteppich. Woran liegt es?

Pernille Frahm : Die Vorschläge der Kommission sind im allgemeinen humaner als die vom Rat oder von den Mitgliedstaaten beschlossenen Maßnahmen. Die Bedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten sind aber sehr unterschiedlich und deshalb müssen die jeweiligen nationalen Politiker zunächst sehr darauf bedacht sein, die dort erreichten Standards zu sichern. Würden wir uns dabei auf übernationale Entscheidungen stützen, so würden wir nur die Rechtspopulisten stärken, die sich an nationale Gefühle wenden und Front machen gegen jegliche grenzüberschreitenden Projekte.

Wie ist die Rolle der einzelnen Mitgliedsländer zu bewerten? Wer bremst am stärksten?

Pernille Frahm : Jeder Mitgliedstaat verfolgt seinen eigenen Weg bei der europäischen Integration. Dies zeigt die Debatte oder eben auch die fehlende Debatte darüber unter den Bürgerinnen und Bürgern. In einigen Mitgliedsländern gibt es denn auch keine öffentliche Auseinandersetzung über die europäische Integration. In anderen Ländern ist diese Frage hingegen mit starken Emotionen verbunden. Und es ist sehr wichtig, dass sich die nationale Politik gerade in diesen Ländern damit auseinandersetzt und diese Gefühle berücksichtigt.

Du warst für das EP Berichterstatterin über den Entwurf einer Ratsentscheidung über die Einrichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds. Auch in dieser Frage konnte sich der Rat noch nicht einigen. Wo liegen die Probleme?

Pernille Frahm : Die Ratsentscheidung über den Europäischen Flüchtlingsfonds wird blockiert aufgrund des Fehlens einer Entscheidung über die Lastenverteilung. Einige Länder haben einen relativ großen Anteil von Flüchtlingen aufgenommen, während in andere aus politischen oder geografischen Gründen nur wenige gingen. Ich bin mir aber sicher, dass auf lange Sicht diejenigen Länder auf die Internationalisierung und Globalisierung besser vorbereitet sind, die sich geöffnet haben. Doch zunächst bleibt das Ungleichgewicht. Der Europäische Flüchtlingsfonds ist der erste Schritt in Richtung einer Lastenverteilung, aber es ist ein sehr bescheidener, Länder wie Deutschland werden davon kaum etwas merken.

Kürzlich hat das Parlament eine französische Initiative zur drastischen Verschärfung von Strafen für Transportunternehmen, die illegal in die EU Eingereiste befördern, abgelehnt. Warum?

Pernille Frahm : Die Politik der Mitgliedstaaten wird von zwei Zielen bestimmt: So wenig wie möglich hineinlassen und so viel wie möglich herauswerfen. Auf lange Sicht, da bin ich mir sicher, wird sich zeigen, dass dies einer der größten Fehler in der westeuropäischen Geschichte sein wird. Ich meine damit Folgendes: Da die Politik sich nicht in der Lage zeigt, die Ursachen der illegalen Einwanderung zu bekämpfen, versucht sie an den Symptomen herumzukurieren. Sie wendet sich nicht gegen die globale ungleiche Verteilung als eigentlichen Grund der Emigration, sondern bekämpft mit einer restriktiven Einwanderungspolitik lediglich die Erscheinungen. Der von der Rechten organisierte Druck, der inzwischen bis weit in die Sozialdemokratie hinein reicht, hat zur Folge, dass die Mafia und Menschenhändler von dieser Situation profitieren, da die „Illegalen“ mehr als bisher auf sie angewiesen sein werden. Außerdem werden wir nur noch mehr Polizisten an die Küsten von Portugal, Spanien und Italien stellen müssen.

Gegenwärtig hat das EP in den Gebieten Justiz und Inneres nur ein Anhörungsverfahren. Was sind die Forderungen der Vereinten Linken zur Stärkung der Rechte des Parlaments, was ist die Position der Sozialistischen Volkspartei Dänemarks?

Pernille Frahm : Die Sozialistische Volkspartei Dänemarks gehört nicht zu denen, die der Meinung sind, dass Fragen der Justiz und der inneren Angelegenheiten der Mitgliedsländer auf die europäische Ebene gehören. Die Gründe dafür liegen zum einen in unserer Überzeugung, dass es sich hier um solche Bereiche handelt, über die sich ein Staat selbst definiert. Zum anderen ergeben sie sich aus der von mir beschriebenen Unterschiedlichkeit der Mitgliedsländer. Ich denke aber, daß das Europäische Parlament eine wichtige Rolle spielen kann beim Austausch von Informationen und Ansichten und dabei das Niveau der Debatte in den Mitgliedsländern anhebt.