Uranmunition
Hearing der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament am heutigen Dienstag, 16. Januar, in Strasbourg mit hochkarätigen Fachleuten: Abraham Béhar, Vorsitzender der „Internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges“, Falco Accame, Vorsitzender der Vereinigung „Opfer innerhalb von Streitkräften“, früherer NATO-Offizier und früherer Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der italienischen Abgeordnetenkammer, Christine Abdelkrim, Journalistin, Autorin des Buches „Une sale guerre propre“ („Ein dreckiger sauberer Krieg“), Carlo Gubitosa, nationaler Sekretär des „Peace Link“-Netzes, Athanassios Geranios, Kernphysiker, Professor an der Universität von Athen, Carlo Ripa di Meana, früherer EU-Kommissar und früherer italienischer Umweltminister
Zu den Ergebnissen des Hearings erklärt André Brie, PDS-Abgeordneter im EP:
Scharping sollte die Kriterien seiner BSE-Politik (Vernichtung aller risiko-behafteten Nahrungsmittel in der Bundeswehr) schleunigst auf die Uranmunition anwenden! Fraktion der Europäischen Linken fordert sofortiges Verbot.
Ein überfüllter Saal und großes Medieninteresse waren die äußeren Rahmenbedingungen des Hearings der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament zur militärischen Verwendung abgereicherten Urans durch die NATO auf dem Balkan.
Das Fazit aller Experten war eindeutig. Erstens: Es muss davon ausgegangen werden, dass der militärische Einsatz von abgereichertem Uran krebserregende und andere toxische Wirkung haben kann. Zweitens: Diese Wirkung war der NATO seit langem bekannt. Sie ist bewusst verschwiegen, die eingesetzten Soldaten und die Zivilbevölkerung sind bewusst diesen Gefahren ausgesetzt worden. Drittens: Waffen mit abgereichertem Uran müssen als radioaktive und chemische Waffen, sie können nicht als konventionelle Waffen betrachtet, ihre Herstellung und Verwendung muss verboten werden. Insgesamt gehe es um 700.000 t abgereicherten Urans, die in den USA, in Großbritannien, Frankreich und anderen Staaten aus militärischen und kommerziellen Gründen für die Waffenproduktion existieren.
Abraham Béhar, Vorsitzender der „Internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges“ führte umfangreiche statistische und medizinische Untersuchungen insbesondere an Tausenden britischen Soldaten an, die am Golfkrieg und am Einsatz in Bosnien beteiligt waren, um nicht nur die Möglichkeit, sondern die hohe Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen dem Uraneinsatz und gehäuftem Krebsrisiko zu beweisen. Er wandte sich an die anwesenden Abgeordneten des EP: „Ich flehe Sie geradezu an, beschäftigen Sie sich mit dem Schicksal der betroffenen Soldaten, vor allem aber mit jenem der Zivilisten, die 70 bis 80 Prozent der Opfer ausmachen. Das, was als Kolletaralschaden bezeichnet wird, ist ein Kriegsverbrechen.“
Die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken im Europäischen Parlament hat den sofortigen Stopp der Herstellung und Verwendung dieser Munition, ihre völkerrechtliche Ächtung und die Bestrafung und den Rücktritt der Verantwortlichen gefordert. Einem Konsensantrag der anderen Fraktionen hat sie sich nicht angeschlossen, da er diese Konsequenzen missachtet.
Eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments teilt immerhin die Beunruhigung über die Verwendung von Uran-Munition und fordert unabhängige und transparente Untersuchungen, darunter durch die EU, sowie ein Moratorium für ihren Einsatz. In dieser Hinsicht zeigt sich eine klare Diskrepanz zur anhaltenden Leugnung der Gefahren durch den deutschen Verteidigungsminister Scharping und zu dessen zynischer Verschleierungspolitik. Falco Accame, Vorsitzender der Vereinigung „Opfer innerhalb von Streitkräften“, früherer Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der italienischen Abgeordnetenkammer, setzte sich in der Anhörung kategorisch für die Anwendung des Prinzips der Vorbeugung ein. Dazu ist Scharping in Fortsetzung seiner Verantwortungslosigkeit nur in der BSE-Frage bereit. Für Landwirtschaftsminister Funke und Gesundheitsministerin Fischer hätte das zum Verbleiben im Amt gereicht. Für Scharping nicht.
Strasbourg, 16. Januar 2001