Eine große Chance wurde vertan

Zur heutigen Zustimmung des Europäischen Parlaments zur Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission erklärt die PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann:

Die Europäische Union leidet seit ihrer Entstehung an einem eklatanten Mangel an Informationsfreiheit und Transparenz. Nicht zuletzt deshalb ist die Distanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den europäischen Institutionen so groß. Mit der heutigen Entscheidung des Europäischen Parlaments über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten wird sich daran leider nicht viel ändern. Die so dringend notwendige umfassende Transparenz von Entscheidungsfindungen wird es auch künftig nicht geben. Der erst 1995 neu eingefügte Artikel 255 des EG-Vertrages, der ein Recht für die EU-Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission schafft, wird nur unzureichend mit Leben gefüllt.

Zu kritisieren ist insbesondere die Tatsache, dass sich die konservative und sozialdemokratische Mehrheit des Parlaments bei der Festlegung von Ausnahmeregelungen und bei der Definition sogenannter sensitiver Dokumente von Bedenken des Europäischen Rates und der Kommission hat leiten lassen. Viele wichtige Dokumente werden so der Öffentlichkeit vorenthalten. Dies betrifft zum einen Dokumente, deren Veröffentlichung vermeintlich „finanzielle, monetäre oder wirtschaftspolitische“ Interessen der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaates gefährden. Hintergrund der restriktiven Haltung ist zum anderen die Geheimhaltung von Dokumenten, die im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik stehen. Damit verbleiben vor allem zentrale Fragen der europäischen Politik außerhalb öffentlicher Kontrolle. Eine große Chance für wirkliche Bürgernähe wurde vertan.

Brüssel, 3. Mai 2001