Zur Abstimmung des Europäischen Parlaments über die Berichte Watson zur Terrorismusbekämpfung und zur Einführung eines Europäischen Haftbefehls
erklärt die PDS-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann am 29. November 2001 in Brüssel:
Der vom Europäischen Parlament am heutigen Tag verabschiedete Bericht über einen von der Europäischen Kommission vorbereiteten Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung fordert zu Recht, den unerträglich weitgefaßten Terrorismusbegriff, der in seiner jetzt vorliegenden Fassung selbst politische Manifestationen und gewerkschaftliche Kampfformen unter Terrorismusverdacht stellt, einzugrenzen. Es ist jetzt am Europäischen Rat, diese Bedenken des Parlaments ernst zu nehmen. Die Vorlage der Kommission muss dringend geändert werden.
Darüber hinaus stellt sich aber weiterhin die Frage, ob ein derartiger Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung wirklich Sinn macht. Die überaus große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sieht sich gegenwärtig keiner terroristischen Herausforderung ausgesetzt. Dennoch werden sie jetzt gezwungen, weitreichende Spezialgesetze zur Terrorismusbekämpfung in ihre Strafrechtsordnungen einzufügen, was eine erhebliche Bechneidung der Freiheitsrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger nachsichziehen wird. Der von diesen Staaten zu entrichtende Preis für die Entstehung eines europäischen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist denn dafür auch eindeutig zu hoch. Dem Bericht konnte ich daher nicht zustimmen.
Die mit der Einführung eines Europäischen Haftbefehls mögliche Verbesserung der Übergabeverfahren von vermuteten bzw. verurteilten Straftätern könnte die heute oft nur schleppenden Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedestaaten der Union beschleunigen. Im beschlossenen Bericht wird zu Recht gefordert, dass ein ohne weitere Prüfung durch das Aufenthaltsland zu vollstreckender Haftbefehl nur für einen eng begrenzten Kreis von Straftaten, die in allen Mitgliedsländern strafbewehrt sind, zur Anwendung kommen darf. Allerdings ist gegenwärtig der Schutz der Verfahrensrechte in verschiedenen Mitgliedsländern so unzureichend ausgebildet, dass mit der Einführung des europäischen Haftbefehls erhebliche Nachteile für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu erwarten sind. So fehlt es zur Zeit etwa an klaren und verbindlichen Bestimmungen über Dolmetscherdienste, Prozesskostenhilfe und an garantierten Haftprüfungsverfahren. Die Sicherung dieser Rechte hätte der Einführung eines Europäisches Haftbefehls vorausgehen oder zumindest dazu parallel geschehen müssen. Da das aber nicht geschehen ist, wird mit dem Vorgehen der Kommission und des Rates das Pferd sprichwörtlich vom Schwanze her aufgezäumt. Der Bericht war daher nicht zustimmungsfähig.