Was bleibt geheim in der Europäischen Union Oder: Wer regiert eigentlich Europa?
Durch den Vertrag von Amsterdam wurde Artikel 255 neu eingeführt, in dem ein Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission verankert ist. Dieser Artikel ist im Zusammenhang mit dem Verfassungsgrundsatz in Artikel 1 des Vertrages über die Europäische Union zu sehen, in dem es heißt, dass die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden sollen.
Der Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der EU-Organe kann als ein wesentliches Element bei der Sicherstellung der demokratischen Kontrolle der Organe und ihrer effizienten Arbeit angesehen werden. So heißt es in der Erklärung 17 zum Maastrichter Vertrag, dass „die Transparenz des Beschlussverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt.“ Auf dieser Grundlage wird gegenwärtig im Europäischen Parlament eine von der Kommission vorgeschlagene Verordnung diskutiert.
Die Tatsache, dass mit dem Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu Dokumenten nun Ernst gemacht wird, rief sogleich diejenigen auf den Plan, die daran interessiert sind, möglichst viele Unterlagen der EU auch weiterhin geheim zu halten. So war es nicht verwunderlich, dass sich mit Herrn Solana derjenige kritisch zu Wort meldete, der als Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik des Europäischen Rats auch gleichzeitig Generalsekretär der Westeuropäischen Verteidigungsunion ist. Herr Solana war übrigens bis September 1999 NATO-Generalsekretär.
Nun wird man sicherlich davon auszugehen haben, dass es in der Sicherheitspolitik immer einiges geben wird, was nicht unbedingt auf dem freien Markt der Information gehandelt werden kann. Doch interessant und zugleich charakteristisch für den gegenwärtigen Zustand der demokratischen Willensbildung in der EU war, wie dieser Bereich abgegrenzt und schließlich beschlossen wurde. Für weiterhin nicht zugänglich wurde der gesamte Bereich des „militärischen und des nichtmilitärischen Krisenmanagements“ erklärt. Wobei zum „nichtmilitärischen Krisenmanagement“ neben dem Vorschlag zur Schaffung eines EU-Polizeichors auch Fragen der Grenzsicherung gehören sollen. Ein Katalog von Fragen mithin, der bedenklich weit gefasst ist.
Geradezu skandalös war aber die Art und Weise, wie diese Entscheidung zur Herausnahme solch wichtiger Fragen zustande kam. Nach einer vorangegangenen Information der Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer wurde der Vorschlag von Solana am 14. August per Fax den einzelnen Regierungen unterbreitet. Wer nicht ausdrücklich widersprach, dies taten lediglich Dänemark, Schweden, Finnland und die Niederlande, wurde zu den Befürwortern gerechnet. Eine Mehrheit war damit schnell erreicht. So haben weder die Regierungen auf einer gemeinsamen Ratssitzung über diese Fragen diskutiert und entschieden, noch wurde das Europäische Parlament in irgendeiner Weise angehört. Die Europaparlamentarier erfuhren erst nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub von dieser weitreichenden Entscheidung.
Von der Presse wurde das Vorgehen denn auch als Solana-Cuop bezeichnet, der weder zufällig in die Sommerpause fiel, noch losgelöst von der früheren Rolle Solanas als NATO-Generalsekretär gesehen werden kann, einer Organisation, die bisher nicht unbedingt durch ihre Transparenz aufgefallen ist. Bei der Beratung dieses Vorgangs im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments merkte denn auch ein Abgeordneter an, dass er geheime Gesetzgebung bisher lediglich aus China und Nordkorea kenne, zukünftig müsse man aber auch die Europäische Union dazu rechnen. Ganz falsch dürfte er damit nicht liegen.
Auf dem Berliner Einhei(z)markt der PDS beantwortete MdEP Hans Modrow zahlreiche Fragen der Besucher zum Thema Osterweiterung der EU (in der nächsten Ausgabe von „europa rot“ mehr dazu) und informierte im Auftrag der PDS-Delegation im Europäischen Parlament über unsere Arbeit. Der „Wegweiser“ zu den PDS-Abgeordneten des EP war enorm gefragt. Wer mehr über unsere bisherige Arbeit erfahren will, sollte sich an die Europa-Büros der Abgeordneten wenden und die Broschüre „6 aus 626“ verlangen.