Strassburg-Besuch soll wiederholt werden

Schade. Punkt 12 Uhr holte uns der Parlamentarische Besucherdienst von der Tribüne des Straßburger Plenarsaals. Die Besuchszeit war zu Ende. Noch lief die Debatte über den Fortschrittsbericht Türkei. Kurz darauf sollte die Abstimmung über die Grundrechtecharta der EU stattfinden. …

Das Ergebnis erfuhren wir dann erst auf der Heimfahrt ins Brandenburgische. Knapp zwei Tage hatten wir auf Einladung von MdEP Christel Fiebiger einen Schnellkursus in Sachen Europäisches Parlament durchlaufen, hatten während einer Stadtrundfahrt erfahren, dass Straßburg nicht am Rhein, sondern an der Ill liegt, dort viele Nationalitäten ihre Heimat gefunden und in der Vergangenheit ihre architektonischen Spuren hinterlassen hatten. Im französischen Viertel wurde nach Versailler Vorbild gebaut, im Wilhelminischen findet man noch heute Bauwerke aus der Zeit Wilhelms I. und meint, man wäre in Berlin. Einprägsam auch die wechselvolle Geschichte der Elsass-Metropole, die in den vergangenen Jahrhunderten mal zu Deutschland, dann wieder zu Frankreich, dann wieder zu Deutschland und endlich wieder zu Frankreich gehörte.

Im Jahre 1999 wurde neben dem Europäischen Rat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte das gläserne Parlamentsgebäude eingeweiht. Das Gebäude hat die Stadt gebaut und an das Europäische Parlament vermietet. Jeweils eine Woche im Monat finden hier Tagungen, Aussprachen, Fraktions-, Gruppen- und Plenarsitzungen statt. Noch heute, gibt Christel Fiebiger zu, verläuft sie sich in dem riesigen Komplex. Spätestens nach diesem Besuch können wir diese Erfahrung nachempfinden. Alles ist großzügig, funktional und mächtig konstruiert, erst nach einer ganzen Zeit kann man das Wegesystem durchschauen. Dieser Eindruck setzt sich schon beim Eintritt in den gläsernen Hof fest. Unwillkürlich wird man an das Straßburger Münster erinnert und kommt sich klein und winzig vor. Jedoch nicht ausgeliefert. Vor der Halle demonstrieren Mitglieder der Nichtregierungsorganisation „Attac“, die sich seit Jahren gegen eine „ungehemmte“ Globalisierung einsetzt und die Einführung einer Steuer auf Finanzdienstleistungen fordert. Heute wollen sie kistenweise Unterschriftenlisten an das Parlament übergeben, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. In einer Hofecke fordern Frauen und Männer mehr Rechte für Kinder und die Einführung eines Tages der Rechte der Kinder, wieder andere – Armenier – demonstrieren gegen die Gewaltverbrechen der Türkei. Alltag in Straßburg, der immer wieder daran erinnert, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas Forderungen an ihre Parlamentarier haben und verhindert, dass die Abgeordneten sich hinter den täglich zu bewältigenden riesigen Stapeln Papier verschanzen.

Christel Fiebiger berichtet über ihre Arbeit. Noch in der Nacht wird sie zum Thema Schweinefleischproduktion reden, tags darauf zu den Rechten der Frauen. Wie man sich in diese Themenvielfalt einarbeiten kann, wollen die Besucher wissen und was denn die europäischen Entscheidungen in der Prignitz bewirken. Wie die Atmosphäre im Parlament sei und ob auch hier – wie in deutschen Parlamenten – eine Ausgrenzung der Linken stattfinde. Und wir erfahren von überparteilichen Allianzen, die beispielsweise durch regionale Interessen geschmiedet werden, wenn es um den Zuckergehalt des Weines geht oder um den Euro oder um die Rindfleischkennzeichnung. Trotz Meinungsverschiedenheiten wird im EP sachlich und auffallend höflich im Umgang miteinander um die Sache gestritten, anerkennt Frau Fiebiger, die verspricht, auch weiterhin mit den Besuchern in Kontakt zu bleiben und zu Hause über die Arbeit im Parlament zu berichten. Als wir abfuhren, empfing MdEP Hans Modrow seine Gäste aus Bautzen.

gps