Für eine Charta der Grundrechte in der EU
Schon im Herbst 2000 soll sie fertig sein – die EU-Grundrechtecharta. Deshalb arbeitet seit Dezember 1999 der eigens hierfür
eingesetzte „Konvent“ aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und Regierungsvertretern. Den Vorsitz
führt der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog. Als einziges Mitglied der Fraktion der Europäischen Linken in diesem
„Konvent“ setze ich mich insbesondere dafür ein, dass neben den klassischen Grund- und Freiheitsrechten auch die „modernen“
Abwehrrechte, wie Datenschutz und soziale Grundrechte, in die Charta mit aufgenommen werden.
Die Europäische Union, das fordert die PDS seit Jahren, muss für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar werden. Sie müssen ihre
Rechte verständlich, schriftlich fixiert und konkret einklagbar gegenüber den EU-Institutionen in einem Grundrechtekatalog wiederfinden.
Denn schon jetzt greifen Entscheidungen der EU stärker in das Alltagsleben ein, als manche/r wahrhaben will. Auf diesem Weg ist die
Erarbeitung der Charta ein Schritt in die richtige Richtung. Schließlich wollen wir keine EU mit einem „Krieg der Standorte“, gnadenloser
Konkurrenz zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und europaweitem „Sozialdumping“. Soziale Grundrechte
Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) an, in der 14 Parteien aus 10 Mitgliedstaaten der EU vertreten sind. Über deren Arbeit
möchten wir regelmäßig in der heute erstmals vorliegenden Form berichten. Wer Interesse an weiteren Informationen hat, kann sich
direkt an die Abgeordneten wenden. sind unverzichtbar. Das Recht auf eine menschenwürdige und einkommenssichernde
Erwerbsarbeit, eine soziale Grundsicherung ohne Erwerbsarbeitszwang im Niedriglohnbereich, das Recht auf umfassende
Gesundheitsvorsorge, und der kostenlose Zugang zu Bildung sind notwendig, um aus dem Europa des freien Waren- und
Kapitalverkehrs ein soziales Europa zu schaffen.
Viele wenden gegen soziale Grundrechte ein, sie seien nicht zu bezahlen und als rein ideelle Zielbestimmungen von Staaten im Grunde
wertlos. Gleichzeitig geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auf und trotz aller Förderprogramme verschärfen sich
regionale Ungleichgewichte. Dieser Entwicklung müssen wir entgegensteuern. Denn für viele bedeutet sie, dass sie durch ihr Leben
am oder unter dem Existenzminimum ihre Grund- und Freiheitsrechte praktisch verlieren. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass
soziale Grundrechte in der Charta verankert werden und ein Politikwechsel auf europäischer Ebene stattfindet, der die Grundlage
schafft, diese Rechte auch durchzusetzen. Denn „Recht(e) haben“ allein genügt nicht. Sonst geht es uns so, wie dem griechischen
Philosophen Platon, der von Diogenes einen Apfel mit der Frage angeboten bekam, „Willst Du teilhaben“? Als jener zugreifen wollte, zog
Diogenes den Apfel zurück und sprach: „Teilhaben sagte ich, nicht essen!“
Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann