Für eine EU-weite Volksabstimmung über die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte-Charta der EU
Anlässlich der Annahme der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch den Konvent erklärt die stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS und Vizevorsitzende der EP-Delegation im Konvent, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann (MdEP), am 02. Oktober in Brüssel
Die heute vom Konvent verabschiedete Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist in der Tat ein wichtiges politisches Projekt für die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses. Die Charta macht transparent, welche Rechte die Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union besitzen und schließt zugleich eine Lücke im Grundrechtsschutz für die in der Union lebenden Menschen.
Der nun vorliegende Text der Charta stellt zweifellos einen sensiblen politischen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen aller 15 EU-Mitgliedstaaten sowie den verschiedenen politischen Parteien und Kräften in der EU mit ihren unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Konzepten und Wertvorstellungen dar und hat insofern sowohl Stärken als auch Schwächen.
Klar ist aber auch: Der Beschluss des EU-Gipfels von Köln, wonach die Charta der Grundrechte lediglich feierlich proklamiert werden soll, muss von den Staats- und Regierungschefs auf dem bevorstehenden EU-Sondergipfel in Biarritz revidiert werden. Das Nein der dänischen Bevölkerung zur Einführung des Euro hat erneut verdeutlicht, dass sich Europa nicht über das Geld zusammennageln lässt. Eine breite öffentliche Debatte über die konkrete Ausgestaltung der europäischen Integration ist mehr als überfällig.
Wer die Kluft zwischen dem anonymen Brüssel und den Bürgerinnen und Bürgern der Union überwinden will, muss jetzt einen konstitutionellen Prozess einleiten, der die Menschen endlich direkt und umfassend in die politische Ausgestaltung des sich einigenden Europas mit einbezieht. Daher muss von Biarritz das Signal ausgehen, dass die Charta zur öffentlichen Diskussion gestellt wird und die Bürgerinnen und Bürger spätestens bei den nächsten Europawahlen im Jahr 2004 in einer EU-weiten Volksabstimmung darüber entscheiden können, ob die Charta durch Aufnahme in die EU-Verträge Rechtsverbindlichkeit erhält und sie ihre Rechte damit auch individuell vor Gericht einklagen können.