Für eine rechtsverbindliche Grundrechtecharta

Dr. Sylvia Yvonne Kaufmann am 16.3.00 in Strassburg

Im Namen der PDS-Abgeordneten im Europäischen Parlament erklärt die Sprecherin der PDS-Gruppe, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, anlässlich der heutigen Abstimmung in Strassburg:

Die PDS begrüsst, dass auf der Grundlage der Beschlüsse des Europäischen Rates im neu geschaffenen Konvent intensiv an dem Entwurf einer Grundrechtecharta für die Europäische Union gearbeitet wird. Eine solche Charta ist im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union höchst dringlich und notwendig.

Im Laufe der EU-lntegration ist durch die fortschreitende Übertragung von Souveränitätsrechten und Kompetenzen von den Nationalstaaten auf die Europäische Union eine immer grössere Lücke des Grundrechteschutzes für die Menschen entstanden, die endlich geschlossen werden muss.

Deshalb engagiert sich die PDS seit langem für die Verabschiedung einer EU-Grundrechtecharta. Sie hat bereits 1995 einen eigenen Entwurf erstellt und diesen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir sehen in dem Projekt auch eine Chance, dem Mangel an Demokratie in der Europäischen Union entgegenzuwirken und ihr zugleich einen positiven Identitätsschub zu verleihen. Über die Fixierung der Rechte für die in der Union lebenden Menschen kann Europa ganz konkret, für jede und jeden, individuell sichtbarer und fassbarer werden. Selbstverständlich muss die Charta modernen Entwicklungen in unseren Gesellschaften, etwa im Bereich der Biotechnologien, und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden.

Als linke sozialistische Partei setzen wir uns erstens insbesondere dafür ein, dass die Charta für alle in der Union lebenden Menschen gilt. Zu sichern ist, dass nicht Rechte für Menschen „erster und zweiter Klasse“ geschaffen werden. Unverzichtbar ist zweitens, der Grundrechtecharta einen rechtsverbindlichen Charakter zu verleihen: sie muss integraler Bestandteil des EU-Vertrages und die Grundrechte damit individuell einklagbar werden. Die Charta darf nicht nur als ein weiteres „schönes Stück Papier“ in die Geschichte der Union eingehen. Von zentraler politischer Bedeutung ist drittens, soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, auf Bildung, auf Gesundheit und auf Wohnen in der Charta fest zu verankern. Als linke Partei werden wir mit aller Entschiedenheit gegen jegliche Versuche kämpfen, soziale Grundrechte als zweitrangig zu behandeln oder gar unter den Tisch fallen zu lassen.