Zu europäischen politischen Parteien

Sylvia-Yvonne Kaufmann am 14.06.00 in Straßburg

In meiner Fraktion gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen zu europäischen politischen Parteien. Vor allem wird die Frage gestellt, inwieweit sie tatsächlich eine europäische Öffentlichkeit repräsentieren können. Die unmittelbare Verbindung zu den Menschen besteht eben nicht über Europa, sondern sie besteht auf nationaler oder regionaler Ebene. Dort sind Parteien verankert, dort haben sie ihre Mitglieder und Wählerinnen und Wähler.

Wir haben hier in der Tat eine paradoxe Situation: Erstens, es gibt europäische politische Parteien. Zweitens, es gibt Artikel 191 des EG-Vertrags, in dem ausgeführt wird, dass europäische politische Parteien einen wichtigen Faktor der Integration darstellen. Und gleichzeitig ist aber drittens völlig unklar, was europäische politische Parteien eigentlich sind.

Am 21. Dezember vergangenen Jahres haben die Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokratischen Partei, der Europäischen Volkspartei, der Demokratischen Partei der Völker Europas – Freies Europäisches Bündnis und der Generalsekretär der Europäischen Föderation Grüner Parteien in einer gemeinsamen Erklärung selbst gefordert, dass geklärt werden muss, was eine europäische politische Partei ist. Ich bin überzeugt, dass dies außerhalb dieses Hauses de facto so gut wie niemand nachvollziehen oder verstehen kann und wird.

Hinzu kommt, dass Parteien die Tendenz haben, sich selbst besonders wichtig zu nehmen. Und Bürgerinnen und Bürger stehen ja nicht von ungefähr – nicht nur in meinem Land – zum Beispiel einer Mitgliedschaft in politischen Parteien sehr skeptisch gegenüber. Wenn sie sich gesellschaftlich engagieren, dann eher in anderen demokratischen Organisationen der Zivilgesellschaft, in Bürgerinitiativen, Nichtregierungsorganisationen, etc.

Ich persönlich bin nicht gegen europäische politische Parteien, ja, ich denke, im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration stehen auch die politischen Parteien vor der Herausforderung, ihr Agieren grenzüberschreitend zu koordinieren, enge Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln und so den europäischen Einigungsprozess mitzugestalten. Eines geht aber nicht: nämlich, dass europäische politische Parteien existieren, wir zwar nicht wissen, was sie eigentlich sind, diese aber dennoch Finanzen erhalten. Der Europäische Rechnungshof hat unlängst zu Recht deutlich kritisiert, dass Mittel zur finanziellen Unterstützung geflossen sind. In dieser Frage sind also Lösungen dringend erforderlich. Sie müssen gefunden werden, denn die Kritik des Rechnungshofes ist berechtigt, und wir tragen mit dafür Verantwortung, dass klare Verhältnisse hergestellt werden. Rechtssicherheit, Finanzdisziplin und absolute Transparenz sind absolut unabdingbar.

Eine Lösung finden, muss dann aber auch ganz klar einschließen, dass es keine Diskriminierungen beispielsweise denjenigen gegenüber geben darf, die sich ablehnend oder kritisch zur Europäischen Union stellen. Eine Unterstützung oder Begünstigung europäische politische Parteien zu Ungunsten anderer demokratischer Parteien, die sich selbst anders definieren, darf es nicht geben.