Zur Rede von Außenminister Joseph Fischer in der Berliner Humboldt-Universität

Sylvia-Yvonne Kaufmann am 12.05.00 in Berlin

Eine breite öffentliche Debatte um die Zukunft der Europäischen Union ist angesichts der vor der Union stehenden großen politischen Herausforderungen notweniger denn je. Die heutige Rede Joseph Fischers kann ein Anstoß für eine solche Diskussion sein. Die EU ist seit Jahren vorrangig ein Projekt von Regierungen, wirtschaftlichen und politischen Eliten, die über die Entwicklung Europas, Verhandlungen im stillen Kämmerlein führen. Für die Bürgerinnen und Bürger hingegen ist Europa weit entfernt. Die europäische Integration wird aber nur zukunftsfähig sein, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern Europas getragen wird und demokratisch mitgestaltet werden kann.

Zu debattieren wäre, ob die Zukunft der EU tatsächlich in der Schaffung eines föderalen Staates, den „Vereinigten Staaten von Europa“, liegen soll oder ob nicht doch die historisch bislang einzigartige Konstruktion des Staatenverbundes, zukunftsfähiger ist und insbesondere Interessen kleinerer Staaten in der EU besser Rechnung tragen kann.

Eine öffentliche Diskussion über die Zukunft Europas darf nicht auf Strukturen und Institutionen der EU reduziert werden. Nötig ist vielmehr, die politischen Inhalte und die Entwicklungsrichtung bisheriger europäischer Politik kritisch zu hinterfragen. So ist eine militärische Interventionsmacht Europa, die auf der Grundlage der Gipfelbeschlüsse von Helsinki vorangetrieben wird, genau der falsche Weg. Eine Neuorientierung der EU, die bislang von Kapitalinteressen dominiert wird, hin zu einem sozialen Europa ist längst überfällig.