Ja zur Grundrechtecharta und zu einem EU-weiten Referendum!

Anläßlich der Abstimmung des Europäischen Parlaments über die Charta der Grundrechte der Europäischen Union erklärt Sylvia-Yvonne Kaufmann am 14. November in Strassburg

Die Charta der Grundrechte ist ein sehr wichtiges politisches Projekt für die Zukunft der europäischen Integration und findet meine Zustimmung.

Die Charta sichert die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union und schließt eine Lücke im Grundrechtsschutz für die in der Union lebenden Menschen. Die Charta garantiert auch für die Europäische Union das Schutzniveau der Europäischen Menschenrechtskonvention, sie geht zum Teil sogar über sie hinaus. Besonders bedeutsam ist, dass die Charta die Unteilbarkeit von bürgerlichen und politischen Menschenrechten und sozialen Grundrechten sicherstellt. Sie ist in der Tat ein wichtiger Schritt zur Förderung eines sozialen Europas und eines Europas der Bürgerinnen und Bürger.

Zugleich ist es notwendig, insbesondere die sozialen Grundrechte in der EU weiter auszubauen und zu verstärken. Dies gilt insbesondere für das Recht auf Arbeit und auf ein existenz-sicherndes Mindesteinkommen, wie sie in der Europäischen Sozialcharta verankert sind. Dafür werden sich die PDS und ihre Abgeordneten im Europäischen Parlament besonders engagieren.

Erforderlich ist jetzt eine breite öffentliche Debatte und ein EU-weites Referendum über die Grundrechtecharta. Dies ist sowohl für die Fortführung des europä-ischen Integrationsprozesses als auch für die Ausgestaltung eines tatsächli-chen „Europas der Bürger“ unverzichtbar. So böte sich die Möglichkeit, einen ver-fass-ungsähnlichen Prozess einzuleiten und der Union durch direkte demo-kra-tische Entscheidung der in ihr lebenden Menschen eine neue Legitimations-grundlage zu verleihen. Wenn die Grundrechtecharta Bestandteil einer mög-li-chen europäischen Verfassung werden soll, müssen die politischen und recht-lichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Es ist durchaus realistisch, dass ein solches Referendum im Jahr 2004, am Tag der nächsten Europa-wah-len, durchgeführt wird. Unverzichtbar ist die Einbeziehung der Beitritts-kandidatenstaaten.

Auf dem EU-Gipfel in Nizza muß ein erster Schritt in Richtung Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte erfolgen. Ich erwarte vom Rat, dass er im Zusammenhang mit der institutionellen Reform der Europäischen Union in Artikel 6 (2) des EU-Vertrages einen Verweis auf die Charta der Grundrechte aufnimmt. So kann gewähr-leistet werden, dass die Charta keine bloße Deklaration bleibt und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg sie zur Leitlinie seiner Rechtsprechung machen kann.