Zum 4. HADEP Parteitag in Ankara

Bericht der PDS-Europaabgeordneten Feleknas Uca zum 4. HADEP Parteitag am 26. November 2000 in Ankara

Am 26. November wurde in Ankara der 4. Kongress der prokurdischen Partei HADEP abgehalten. Als Gastredner sprachen der ÖDP-Vorsitzende Ufuk Uras, der stellvertretende Vorsitzende der FP Mehmet Berkaroglu, der türkische Menschenrechtsverein IHD, der Abgeordnete der CHP Yaser Seyman und ich. Zahlreiche Botschafter und Diplomaten sowie Delegationen aus Irland, Rußland, Kasachstan, England, Frankreich, Spanien, Norwegen und Schweiz haben am Kongress teilgenommen. Aus Deutschland kamen Medico International und die PDS als einzige deutsche Partei. Die Sacharow-Preiträgerin Leyla Zana und der ehemalige italienische Ministerpräsident Massimo D´ Alema schickten ihre Grussworte. Der Menschenrechtsausschuss des deutschen Bundestages unter dem Vorsitz von Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen) war zur selben Zeit in der Türkei, um sich ein Bild von der Situation im Südosten der Türkei zu machen. Der Menschenrechtsausschuss führte unter anderem Gespräche mit Leyla Zana und dem HADEP Bürgermeister von Diyarbakir. Umso mehr war ich enttäuscht, dass der Menschenrechtsausschuss, welcher gleichzeitig mit dem HADEP Parteitag eine Pressekonferenz gegeben hat, keine Grussworte an die HADEP übermittelte.

Bei meiner Ansprache kam es zu einem Zwischenfall. Auf Kurdisch sagte ich: „Ich würde gerne auf diesem Parteikongress Kurdisch sprechen, aber es ist verboten. Daher werde ich auf Deutsch meine Grussworte überbringen, die ins Türkische übersetzt werden“. Dasselbe habe ich auf Türkisch wiederholt. Als ich auf Deutsch meine Rede fortsetzte, hat die türkische Polizei eingegriffen und von mir verlangt, dass ich unverzüglich auf Türkisch weiterspreche. Nach langem hin und her und Verhandlungen der HADEP und Rechtsanwälten mit der Polizei durfte ich schließlich doch meine Rede auf Deutsch beenden.

Während ein Mitglied der norwegischen Delegation ungehindert in seiner Muttersprache sprechen durfte, wollte die Polizei Deutsch nicht erlauben. Warum? Wegen meiner kurdischen Ansprache? Dieser Vorfall auf dem Parteikongress hat mir gezeigt, dass Kurdisch zu sprechen, ein Vergehen ist. In den türkischen Zeitungen und Medien wurde ich wegen meiner kurdischen Ansprache als Provokateurin dahingestellt. Wenn ich eine Provokateurin wäre, hätte ich mich im Europäischen Parlament gegen die Türkei und ihre Aufnahme in die Europäische Union ausgesprochen. Meine Begrüßung auf kurdisch war vielmehr eine international durchaus übliche Frage der Höflichkeit gegenüber dem Gastgeber.

Das kurdische Sprachverbot in Schulen, in den Massenmedien und bei öffentlichen Veranstaltungen muss in der Türkei aufgehoben werden, wenn sie die Aufnahme in die Europäische Union wünscht.

Die Organisatoren der HADEP durften keinen großen Saal mieten, weil die türkische Nationalhymne nicht gesungen wurde. Tausende Menschen verfolgten den Kongress daher von draußen, da die Halle mit mehr als 3000 Menschen überfüllt war. Insgesamt nahmen mehr als 100.000 am Kongress teil, obwohl viele Busse nicht nach Ankara hineingelassen wurden. Mehr als 1300 Busse und hunderte Autos kamen zum 4. HADEP Parteitag. Die Atmosphäre auf dem Parteitag war geprägt von der Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Brüderlichkeit.

Die türkische Polizei hat am Vortag Hunderte von der Teilnahme am Parteitag der HADEP abgehalten. Mindestens 35 Menschen sind in Semdinli festgenommen worden. Die HADEP Mitglieder aus Van und Hakkari wurden wieder zurückgeschickt. In der Provinz Adana sind 2 HADEP Büros durchsucht worden.

Als Parteivorsitzender wurde Murat Bozlak gewählt. Murat Bozlak hatte schon einmal den Parteivorsitz inne, wurde aber damals zu 1 Jahr und 9 Monate Haft verurteilt. Bozlak erklärte nach der Abstimmung: „Wir werden eine Politik des Dialogs und des Kompromisses verfolgen, die die gesamte Türkei umfassen wird“. Ich bin überzeugt, dies ist der richtige Weg.

Der 4. HADEP Parteitag fand unter dem Motto: „Demokratie, Frieden und Erneuerung“ statt. Ich freue mich sehr, dass die HADEP ihre Tür für alle Türken und Kurden geöffnet hat und allen Widerstand für Demokratie, Frieden und Brüderlichkeit leistet. Die HADEP vertretet die Identität der Kurden und die demokratischen Rechte für alle Türken. Das spielt eine wichtige Rolle für die Integration der Türkei in Europa. Die Anerkennung der Kurden, deren Sprache sowie ein demokratisches politisches System sind erste Schritte in Richtung Europa. Die DEP-Abgeordneten müssen sofort freigelassen werden, die Todesstrafe muss abgeschafft werden. Denn jetzt ist die Zeit für die Brüderlichkeit zwischen Kurden und Türken!

Zur Zeit wird in der Türkei über das Verbot der HADEP diskutiert, weil auf dem Parteikongress die türkische Nationalhymne nicht gesungen und kurdisch gesprochen wurde.

Feleknas Uca

Brüssel, 4. Dezember 2000