CETA – Freihandelsabkommen EU-Kanada

Kanada, mit einer Bevölkerung von knapp 35 Millionen, ist heute der 10-wichtigste Exportpartner der EU. Das Handelsvolumen in beiden Richtungen beträgt mehr als 77,1 Milliarden Euro in Waren und 30,1 Milliarden Euro in Dienstleistungen.

Im Auftrag des EU-Rates, d.h. Mitgliedstaaten der EU verhandelte die EU-Kommission über mehrere Jahre ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Kanada. Abgekürzt wird das Abkommen CETA. Obwohl auf die Verhandlungen der Schatten der in der Öffentlichkeit sehr negativ aufgenommenen TTIP-Verhandlungen zwischen EU und USA fiel, gelang 2016 der Abschluss der Verhandlungen. Die Europaabgeordneten der Linken waren gegen den Abschluss dieses Freihandelsabkommens.

Das Abkommen geht weit über reinen Warenaustausch hinaus und enthält explizit Kapitel über Dienstleistungen und deren Erbringung, die Anerkennung von Berufsqualifikationen, das öffentliche Beschaffungswesen, zu Ursprungsregeln, Qualitätsanforderungen, Patentschutz, Niederlassungsbestimmungen, Finanzdienstleistungen, Investitionsschutz, Agrarprodukte-Handel, und zur Nachhaltigkeit der Handelsbeziehungen, d.h. zu Sozial- und Umweltschutzbestimmungen. Viele US-amerikanische Unternehmen verfügen über Niederlassungen in Kanada und beide Ökonomien sind über das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA (Freihandelszone zwischen Kanada, USA, Mexiko) eng verwoben. CETA wird deshalb als Hintertür für den Zugang zum EU Markt genutzt.

Zu den umstrittensten Inhalten gehört eine Vereinbarung über die Aufnahme eines Investor-gegen-Staat Klagerechts (ISDS) im entsprechenden Investitionsschutz-Kapitel. Während diese Bestimmung in den Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA (TTIP) in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurden, entging es der medialen Aufmerksamkeit weitgehend, dass mit dem CETA erstmals ein solcher Mechanismus in ein von der EU geschlossenes Abkommen aufgenommen werden sollte. Das Kanada-Abkommen wurde von Fachleuten in vielen Aspekten als Blaupause und Testballon für das Abkommen mit den USA, aber auch anderen ähnlichen Verträgen gesehen. Dabei argumentiert die Kommission lange, dass Mitgliedsländer der EU dieses Verfahren in entsprechenden bilateralen Verträgen bzw. im Energiecharta-Vertrag (ECT) bereits verankert hätten. Inzwischen gibt die EU-Kommission der Kritik der Linken von damals Recht. Auf ihre Empfehlung haben Rat und Europaparlament jüngst den Austritt aus dem ECT beschlossen, da mit den Fesseln des ISDS-Systems die Green Deal Politik der EU nicht umzusetzen wäre.

Auch in Kanada wurde das Abkommen breit und kontrovers diskutiert. Strittig waren insbesondere die Bereiche Investitionsschutz und Verlängerung des Patentschutzes für Medikamente, wodurch die Gesundheitskosten in Kanada anstiegen. Das CETA-Abkommen band zudem erstmalig die kanadischen Provinzen, die sonst weitgehend autonom auch über ihr Öffentliches Beschaffungswesen entscheiden können, explizit mit ein.

2017 trat das CETA-Abkommen vorläufig in Kraft. Vorläufig deshalb, weil das Abkommen zu einem Meilenstein der Klarstellung der Kompetenzen von EU und Mitgliedstaaten in der Handels- und Investitionspolitik wurde. Der Europäische Gerichtshof stellte exemplarisch fest, dass über fast alle Aspekte solcher Freihandelsabkommen allein auf europäischer Ebene entschieden werden kann. Die Ratifizierung erfolgt dann durch den Europäischen Rat und durch das Europaparlament. Die Parlamente der Mitgliedstaaten haben kein weiteres Mitspracherecht. Ausgenommen sind von dieser Kompetenz jedoch bestimmte Paragraphen des Handelsabkommens, in denen es um Investitionen, Investitionsschutz und Haftungsfragen geht. Für diese bedarf es der Zustimmung in den Mitgliedstaaten nach ihren jeweiligen Regeln. In 10 der 27 EU-Mitgliedstaaten waren parlamentarische Kammern bis heute nicht bereit, diese Aspekte des Abkommens zu ratifizieren. Im März 2024 lehnte der französische Senat die Ratifizierung von CETA mit 211 zu 44 Stimmen ab. Die Nationalversammlung hatte CETA zwar 2019 mit knapper Mehrheit zugestimmt, muss nun jedoch erneut abstimmen und die Mehrheitsverhältnisse haben sich seither verändert. Im Bundestag hingegen stimmten Grüne, SPD und FDP im Januar 2023 mit der Mehrheit und gegen die Stimmen der Linken für die Ratifizierung von CETA.

Die Abgeordneten der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament haben den Text des Abkommens geprüft und lehnten und lehnen CETA ab. Die Aufnahme eines Klagerechts für Investoren gegen Regierungen vor Sondertribunalen (ISDS) ist völlig inakzeptabel. Die Bewertung des Abkommens erfolgte in enger Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa und Kanada. Deren Hauptsorge betraf den Verlust der Versorgungssicherheit der kanadischen und europäischen Bevölkerung in Folge der Liberalisierung der öffentlichen Beschaffung durch das Abkommen. Das Patentschutzkapitel verdrängte in der Praxis bereits Generika vom Markt und trieb die Kosten des kanadischen Gesundheitssystems in die Höhe. Die Handelsbilanz zwischen Kanada und EU verschob sich durch das Abkommen deutlich zulasten Kanadas und bescherte der EU einen Überschuss von 17,7 Milliarden Euro Ende 2022. In Preisen gerechnet hat sich der Handel seit 2016 um über 60 Prozent erhöht, freut sich die EU Kommission. Hauptgrund sind jedoch Inflation und Wertverlust des Euro. Das gehandelte Warenvolumen erhöhte sich lediglich um 9 Prozent. Aus der EU werden nach Kanada nun 75 % mehr pharmazeutische Produkte, 50 % mehr Agrarprodukte und 42 % mehr Maschinen exportiert. Aus Kanada importiert die EU verstärkt Öl (darunter das besonders umweltbelastend gewonnene Öl aus Teersanden), Fisch, Aluminium, Maschinen und Gummi.